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01-2012

Ausgabe 01/2012
Ulrike Bail Gendertrouble im Paradies. Beobachtungen aus theologischer Perspektive

Abstract:

La publicité utilise souvent les images de la création et de la chute d’Adam et Eve au Jardin d’Eden dans le marketing de produits. Elle joue avec l’interdit, l’érotisme et la séduction féminine. Cacharel a nommé un de ses parfums “Eden-le parfum défendu”. Joop a lancé “All about Eve” sous la formule “le parfum de la femme mystérieuse, sensuelle et immorale”.

En construisant différents types de féminité, on se focalise sur la séduction et la sexualité. Des stratégies de marketing postmodernes sont liées à une interprétation séculaire du récit du Jardin d’Eden: la femme est réduite à son corps, elle est inférieure à l’homme.

On trouve les mêmes principes en l’histoire de l’art. Des exemples tirés de la publicité et de l’histoire de l’art seront présentés.

Le message de ces narrations bibliques n’est guère si patriarcal, même si un certain androcentrisme ne peut être nié. En regardant de plus près les textes, on remarque qu’il n’y a pas de relation hiérarchique entre les sexes. On y parle de l’idée d’hommes et de femmes qui ne sont pas définis par l’apparence à un sexe et qui sont égaux. Les êtres humains ont besoin de la sociabilité. Ce sont des brins d’utopie dans un monde reconnu comme violent.

Oft werden religiöse oder biblische Motive gebraucht, um eindeutige und dualistische Geschlechterverhältnisse zu konstruieren und so mit der Macht der Tradition festzuschreiben, was als weiblich und was als männlich gilt. Einer der biblischen Texte, der hierfür anscheinend eine Legitimierung liefert, ist die biblische Paradieserzählung, die Erschaffung von Mann und Frau. Doch – und das wird meist überlesen, gibt es schon im Paradies Gendertrouble. Diese biblischen Texte taugen weniger für präskriptive Definitionen als für eine diskursive Praxis der Auseinandersetzungen darüber, wie Gender konstruiert wird.[1]
Die biblische Paradieserzählung entfaltet über die Werbung ein wirkungsvolles Potential. All about Eve – so lautet z.B. der Name eines Parfüms von Joop, das 1996 auf den Markt kam: All about Eve.

Im Werbetext dazu heisst es:

„Himmlische Verführung, so delikat wie das Paradies - All about Eve heißt der jüngste Damenduft von Wolfgang Joop. Der Inbegriff moderner Feminität, so geheimnisvoll und gleichzeitig verlockend-frisch wie die Eva der heutigen Zeit. Eine Frau, die ihre Freiheit und Unabhängigkeit liebt und spielerisch ihre verführerische Aura zum Ausdruck bringt. [...] Wie der Duft präsentiert sich auch der Flakon: Unwiderstehlich in frischem Apfelgrün gehalten und sinnlich geformt wie die verbotene Frucht - einfach paradiesisch.“[2] – „Der sinnlich-feminine Duft All about Eve ist die moderne Art, zu verführen. So sündig und verführerisch wie das Paradies.“[3]

In diesem Werbetext wird ein bestimmtes Bild von Weiblichkeit inszeniert, das durch das Werbeplakat visuell verstärkt wird.[4] Es zeigt eine junge Frau, die herausfordernd den Betrachter ansieht. Halboffene Lippen signalisieren in der Ikonographie der Werbung sexuelles Begehren. Die verhüllende Enthüllung der rechten Brust öffnet Raum für erotische Phantasien. Der Flakon schimmert apfelgrün. So ist nicht nur das Parfüm selbst, sondern auch der Flakon Medium der Verführung, der erotischen Attraktivität seiner Besitzerin.
Werbetext und Plakat zitieren Bruchstücke aus der biblischen Erzählung über Adam und Eva im Paradies. Der biblische Text wird fragmentarisch gelesen und genutzt. Dabei klingen in der Werbung nicht nur die biblische Erzählung an, sondern vor allem Lektüreweisen, die mit der Paradieserzählung die Inferiorität von Frauen biblisch zu begründen versuchen.
Eine dieser Lektüreweisen wird in einem bekannten Gemälde aus den Jahren 1508-1512 lesbar. Es ist ein Ausschnitt aus dem Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Michelangelo Buonarroti – er lebte von 1475-1564 – stellt hier stellt den sog. Sündenfall (Genesis 3,1-13) und die Vertreibung von Adam und Eva aus dem irdischen Paradies (Genesis 3,22-24) in einem Bild dar.[5]

Es handelt sich um zwei Ereignisse, die in der biblischen Geschichte ganz klar getrennt sind, bei Michelangelo jedoch ineinander übergehen. Die beiden Episoden sind hier durch den Baum getrennt, um den sich die Schlange windet, die Eva die verbotene Frucht reicht. Auf der anderen Seite des Bildfeldes werden Adam und Eva von einem Engel mit gezücktem Schwert aus dem Paradies vertrieben. Diese Motive sind in der europäischen Ikonographie weit verbreitet und fest verwurzelt, so dass weniges genügt, um sie zu evozieren.
Vor allem auf ein Detail möchte ich näher eingehen. Es macht deutlich, wie über die Interpretation und Präsentation eines kleinen Details asymmetrische Geschlechterverhältnisse als natürliche, als ursprüngliche und ontologische konstruiert werden. Die Festschreibungen der Geschlechteridentität mit religiösen Mitteln hat eine lange Geschichte, und es ist doch erstaunlich, dass und wie in mancher Werbung auf androzentrisch geprägte Traditionen so unbedacht Bezug genommen wird.

Genau in der Mitte des Bildes ist die Schlange dargestellt. Sie ist, anders als in der hebräischen biblischen Vorlage, weiblich: die Schlange. Im hebräischen hat ‚der Schlang‘ (nahasch) ein maskulines Genus. Diese Feminisierung ‚des Schlangs‘ hat in der Kunstgeschichte eine lange Tradition. Durch die Analogie des weiblichen Körpers gleichen sich Eva und die Schlange und schieben sich gewissermaßen ineinander. So werden Eva und die Schlange lesbar als Eva, die Schlange.
Diese Identifikation ist auf weiteren Bildern zu beobachten.[6] Als Beispiel soll hier nur die Darstellung Adam und Eva (1508) von Raffael (1483-1520)[7] gezeigt werden:
Die Verführte und die Verführende sind eins, die Frau ist die verführte Verführerin – sie ist schwach und schuldig zugleich. Der Mann ist in dieser Tradition nur der Verführte. Gerade diese sekundäre, marginale Rolle des Mannes erlaubt es, einen Entlastungsgrund für den Mann zu finden. Er ist der bloß Verführte.
Eva wird zur Schuldigen par exellence, so dass der Kirchenvater Augustinus im 4. Jahrhundert warnt: „Ob es in einer Ehefrau oder in einer Mutter steckt, es ist immer die Eva, vor der wir uns in jeder Frau hüten müssen.“[8] Die wesentliche Eigenschaft einer Frau besteht nach dieser Auffassung in ihrer Körperlichkeit und sexuellen Verführung.[9] Diese Sicht auf die biblische Eva als Prototyp aller Frauen scheint auch in der All about Eve-Werbung auf: „Eve – Sinnbild ursprünglicher, erotischer Weiblichkeit.“[10]

Während Augustinus weibliche Sexualität im Bereich der Sünde verortet, verwandelt Joop die negative Konnotation des Sündigen in den Reiz des Verbotenen. Ganz markant nennt auch Cacharrel sein Parfüm: Eden – le parfum défendu – der verbotene Duft.

Doch bei aller Umwertung: Die Festlegung der Frau auf Erotik und Sexualität bleibt dieselbe. Die Schlange hat denselben Körper wie Eva – und dieser Körper wird den Augen der Betrachtenden meist nackt ausgesetzt.
All about Eve – es ist faszinierend zu sehen, wie das Einspielen biblischer Motive in einen Kontext, der sich eigentlich als außerhalb der christlichen Tradition stehend versteht, funktioniert. Die Paradiesgeschichte, der sog. Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies bilden ein großes Versatzstückelager, aus dem sich die Werbestrategen gerne bedienen.

So evoziert z.B. die Abbildung eines Apfels die Verführung Adams. Der biblische Text selbst redet nur ganz generell von einer Frucht. Bei Michelangelo sind Feigen abgebildet. Dass es sich um einen Apfel handeln könnte, ist erst in der lateinischen Tradition seit dem 5. Jahrhundert n.Chr. belegt. Vermutlich ist der Apfel aus dem Gleichklang zweier Wörter entstanden: malum – das Böse und mālum – der Apfel. Und da es in jener erwähnten Interpretationslinie Eva ist, die die Sünde, sprich Sexualität in die Welt brachte, liegt es nahe, ihr einen Apfel, mālum – malum, in die Hand zu geben. In der kulturellen Ikonographie des christlichen Abendlandes zitiert der Apfel von nun an die Erzählungen von Adam und Eva im Paradies: das Verbotene liegt in der Hand Evas.
Aus der biblischen Paradiesgeschichte wurde und wird häufig eine asymmetrische, hierarchische Beziehung zwischen den Geschlechtern abgeleitet. Das Alte Testament ist ein patriarchales Buch, es entstand in einer patriarchal geprägten Welt. Doch gerade die Texte am Anfang der Bibel hinterfragen ein asymmetrisches Verhältnis der Geschlechter und ein Einschreiben und Festschreiben der Geschlechtscharaktere. Dies soll an zwei Details im biblischen Text gezeigt werden.
„Die Gebrochenheit der Welt erzählerisch zu erklären“[11] – so könnte man das Anliegen der Paradiesgeschichte, des sog. zweiten Schöpfungsberichtes des Alten Testaments nennen (Genesis 2,4-3,24). Es wird ein Paradies entworfen, das sogleich wieder zerstört wird und das fortan unerreichbar bleibt. Das Paradies wird erinnert, ist aber gleichzeitig Utopie. Die Gegenwart dagegen findet sich in den Passagen, die üblicherweise als die Strafen des sog. Sündenfalls verstanden werden. Es sind fiktive Erzählungen, gewissermaßen eine narrative Anthropologie, um die Gegenwart zu verstehen. Die Erzählung beschreibt die Erschaffung eines Gartens inmitten einer kargen Landschaft. Es wird sehr anthropomorph erzählt, d.h. Gott handelt wie ein Mensch; er wird wie ein Töpfer gezeichnet, der aus dem Erdboden den Menschen schafft. Dieser Mensch wird mit adam bezeichnet, er ist aus adamah/Erde genommen und erschaffen. Es wird folgendes erzählt:

... da bildete Adonaj, also Gott, Adam, das Menschenwesen, aus Erde vom Acker und blies in seine Nase Lebensatem. Da wurde der Mensch atmendes Leben. (Genesis 2,7)[12]

Adam ist hier kein Name, sondern die Gattungsbezeichnung Mensch. Dieses Menschenwesen ist bei seiner Erschaffung geschlechtlich nicht differenziert. Er hat noch kein gender, ist gewissermaßen androgyn. Auf alle Fälle ist es kein Mann. In der jüdisch-rabbinischen Literatur wird darüber reflektiert, dass adam/das Menschwesen „als janusartiges zweigesichtiges oder als andogynes Zwitterwesen“[13] dargestellt wird. Bei der Erschaffung hat adam, das Menschenwesen, keine eindeutige klare und zweifelsfreie Identität.[14] Von diesem ungeschlechtlichen Menschenwesen wird nun gesagt:

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will für ihn eine Hilfe machen, so etwas wie ein Gegenüber. (Genesis 2,18)

Die erste Bestimmung des Menschen ist nicht seine Geschlechtlichkeit, sondern seine Sozialität. Das Gattungswesen Mensch wird dadurch definiert, dass es sozialer Beziehungen bedarf. Die Beziehungsfähigkeit des Menschen steht hier im Vordergrund. Um dem Menschen diese Sozialität zu ermöglichen, wird erzählt, dass Gott dem Menschen ein Gegenüber schafft (Genesis 2,21-23):

21 Da ließ Adonaj, also Gott, einen Tiefschlaf auf das Menschenwesen fallen, dass es einschlief, nahm eine von seinen Seiten und verschloss die Stelle mit Fleisch. 22 Dann formte Adonaj, also Gott, die Seite, die sie dem Menschenwesen entnommen hatte, zu einer Frau um und brachte sie zu Adam, dem Rest des Menschenwesens. 23 Da sagte der Mensch als Mann: „Dieses Mal ist es Knochen von meinen Knochen, und Fleisch von meinem Fleisch! Die soll Ischscha, Frau, genannt werden, denn vom Isch, vom Mann, wurde die genommen!“

Hier kommt es darauf an, genau zu lesen und wahrzunehmen, was wann genannt wird, und nicht die hintereinanderstehenden Aussagen sogleich in eins zu lesen.
In der Erzählung heißt es: Dann formte Adonaj, also Gott, die Seite, die sie dem Menschenwesen entnommen hatte, zu einer Frau um. Die Frau ist vom ungeschlechtlichen Erdwesen genommen, nicht vom Mann. Sie bezieht vom adam zunächst nur das Gerüst. Von einer Rippe ist nicht die Rede. Die Erschaffung der Frau aus der Rippe ist ein folgenschwerer Übersetzungsfehler, den z.B. der Hexenhammer im 15. Jahrhundert nutzt, um Frauen das Menschsein abzusprechen und sie auf die Stufe unvollkommener Tiere zu setzten.[15]
Hinter der Grundidee, dass Gott einen Teil des Erdlings zu einem neuen Wesen ausbaut, dürften Erfahrungen aus dem handwerklichen Bereich stehen. Schon seit dem Neolithikum ist die Bearbeitung eines Innengerüstes aus Rohr oder Knochen mit Ton und anderen Materialien bezeugt.
Die Logik der Erzählung lässt sich so beschreiben: Gott nahm einen Teil vom Menschen, baute ihn zur Frau aus und was übrig blieb, war der Mann. Die Frau wurde keineswegs nach dem Mann geschaffen. Den Mann kann es erst geben, wenn es die Frau gibt. Auch hier steht die Sozialität deutlich im Vordergrund. Frau und Mann werden gleichzeitig aus dem einen Menschen geschaffen. Auch als der Mann zu sprechen beginnt, als er seinen Kommentar dazu gibt, spricht er noch als Erdwesen, geschlechtlich noch nicht differenziert – dies geschieht erst in seiner Rede. Und diese Rede entspricht nun gerade nicht der erzählten Geschichte, wenn er nun formuliert, dass die Frau vom Mann genommen sei:

„Die soll Ischscha, Frau, genannt werden, denn vom Isch, vom Mann, wurde die genommen!“

Indem der noch geschlechtslose Mensch dies so formuliert, differenziert er sich vom Mensch zum Mann. Adam wird durch seinen Kommentar zum geschlechtlich konstruierten Wesen. Nachdem er noch kurz zuvor die Frau als Entsprechung und gleichberechtigtes Gegenüber gewürdigt hat („Dieses Mal ist es Knochen von meinen Knochen, und Fleisch von meinem Fleisch!“), verfällt er in jenen Irrtum, dem auch die gesamte Auslegungstradition gefolgt ist: die Frau sei vom Mann genommen, d.h. abgeleitet und so weniger wert.
„Kaum zum Bewusstsein seiner Geschlechtlichkeit gelangt verwechselt sich der Mann schon mit dem Menschen und leitet die Frau als andere von sich ab“[16] – so die Bibelwissenschaftlerin Ilse Müllner. Genesis 2 versuche zwar, das Menschsein ungeschlechtlich zu denken. Ihr Hauptdarsteller unterwandere jedoch diesen Versuch, indem er das vorgeblich ungeschlechtliche Subjekt als männliches entlarve.[17] Diese Verwechslung von Mann und Mensch prägt die patriarchale Kultur bis heute und findet in vielen Sprachen ihren Ausdruck: dasselbe Wort bedeutet Mann und Mensch – z.B. engl. man, französisch l’homme: Mann = Mensch.
Es scheint jedoch ein Widerspruch auf zwischen dem, was auf der Erzählebene über die Erschaffung der Menschen gesagt wird, und den Worten Adams. In der Erzählung sind mehrere Erzählstrategien lesbar: Geht es darum, dass der Mensch ungeschlechtlich geschaffen wurde, dass er als Frau und Mann geschaffen wurde oder geht es darum, dass die Frau nach dem Mann erschaffen wurde und ihm deshalb untergeben sein soll – so die Worte Adams?
Der Text selbst lässt die Frage offen. Schon diese Offenheit wahrzunehmen, macht es unmöglich, diese Erzählung zur bruchlosen Festschreibung der Geschlechteridentität und des Geschlechterverhältnisses zu gebrauchen. Die Erzählung legitimiert gerade nicht Festschreibungen, sondern bricht sie durch verschiedene narrative Strategien in einen offenen Diskurs auf. Es sind menschliche Worte, die die Geschlechterhierarchie herstellen. Geschlechterverhältnisse und Geschlechtsidentitäten sind nie unumstößlich, sondern immer veränderbar. Festgeschrieben ist Gender nie. Kulturelle Deutungsmuster von der Unterlegenheit der Frau können mit der Erzählung von der Erschaffung der Menschen nicht legitimiert und nicht stabilisiert werden.
Dies betont auch die sog. Gottesebenbildlichkeit, die in der ersten Schöpfungserzählung der Bibel (Genesis 1,1-2,3) zur Sprache kommt.[18] Es wird dort über die Menschen Folgendes gesagt:

Da schuf Gott, Adam, die Menschen als göttliches Bild,
männlich und weiblich hat er, hat sie, hat Gott sie geschaffen.

Der Mensch wird in der Zweiheit von männlich und weiblich geschaffen. Es steht hier nicht: als Mann und Frau, sondern männlich und weiblich. Dies ist die einzige Differenzierung des Menschen. Dabei muss diese Unterscheidung nicht identisch sein mit den Unterscheidungen zwischen Männern und Frauen, zwischen verschiedenen Rollenerwartungen, Rollenzuweisungen und Geschlechtsidentitäten. Wie Frauen und Männer zu sein haben, davon ist hier nichts zu lesen. Keine geschlechtsspezifischen Zuschreibungen werden genannt. Auch von Ehe ist hier mit keinem Wort die Rede. Eine Hierarchie zwischen Mann und Frau ist mit diesem Text nicht Weise zu legitimieren. „Der Wortlaut des Textes gibt nicht einmal die Identifikation von Frauen mit weiblichen und Männern mit männlichen Menschen her... und schreibt deshalb auch keine exklusive Komplementarität von Männern und Frauen fest“[19] – so die Theologin Magdalene Frettlöh. „Es kommt vielmehr alles darauf an, dass es ein Menschsein nur in der Einheit von Verschiedenen, in einem Von-ein-ander-Unterschiedensein und einem Auf-ein-ander-Bezogensein gibt, das die Andersheit des/der Anderen in der gemeinsamen Menschlichkeit wahrt.“[20]
Eine genderspezifische Lektüre der biblischen Schöpfungserzählungen kann einen Beitrag zum gegenwärtigen Geschlechterdiskurs sein. Sie trifft sich mit jenen Geschlechtertheorien, die sich weigern, der Körperlichkeit, dem Wesen und dem Verhalten lebendiger Menschen eine geschlechtliche Identität einzuschreiben, sie typologisch vor- oder festzuschreiben.
Die Erzählungen vom Anfang erzählen in diskursiver Weise von der Erschaffung der Menschen, deren vorrangige Merkmale Egalität und Sozialität sind. Zwar bleiben die Erzählungen im heterosexuellen Rahmen, dennoch sind sie als utopische Splitter zu lesen und als ein Beitrag zur Dekonstruktion scheinbar eingeschriebener Geschlechtsidentitäten.
Zum Schluss möchte ich noch auf eine Werbung hinweisen, die das Motiv von Adam und Eva aufnimmt, jedoch in die Zwischenräume hinein aufbricht:

Calvin Klein präsentiert CK one als ein Parfüm, bei dem die Geschlechtergrenzen übersprungen werden. Die Werbung spielt mit verschiedenen Entwürfen von Geschlechtlichkeit, sie inszeniert die selben Models mal hetero, mal lesbisch, mal bi, mal queer, mal hetera. Bei manchen der Models funktioniert der automatische Impuls, einem Menschen ein Geschlecht zuzuordnen, nicht mehr. Es entsteht ein Spiel mit Masken, mit Verkleidungen, mit Androgynität, mit verschiedenen Inszenierungen von Geschlechts­zugehörigkeit. Deutlich wird inszeniert, dass Geschlecht eine Konstruktion ist und niemals unabänderliche Natur. Auf diese spielerische Weise erinnert die Werbung von CK one an die biblische Erzählung von der Erschaffung des Menschenwesens, dem am Beginn kein eindeutiges und kein zweifelsfreies Geschlecht zugewiesen wird.


 

[1] Vgl. auch Gerlinde Baumann, Seit Adam und Eva ... werden Geschlechterrollen konstruiert. Feministische Exegese und Gender-Frage am Beispiel der Schöpfungserzählung Gen 2,4b-3,24, in: ZPTh 57 (2005), 297-308.

[2] Vgl. http://at.douglas-shop.com.

[3] Vgl. http://www.twenga.de/preise-all-about-eve-parfum.html.

[4] Alle Werbeplakate sind von der CD von http://www.glauben-und-kaufen.de/

[5] Vgl. Die Bibel in der Kunst. Gemälde – Zeichnungen – Grafiken. The York Project (Die digitale Bibliothek: DVD); siehe auch: Die Sixtinische Kapelle. Ein Panorama der biblischen Vorstellungswelt Michelangelos, hrg.v. Katholischen Bibelwerk, Stuttgart 1996.

[6] Vgl. Monika Leisch-Kiesl, Wie kam die Schlange ins Bild? Einige Beobachtungen zur Darstellung des „Sündenfalls“, in: BiKi 1 (1998), 27-30. Siehe auch: Frank Crüsemann, Eva – die erste Frau und ihre „Schuld“. Ein Beitrag zu einer kanonisch-sozialgeschichtlichen Lektüre der Urgeschichte, in: BiKi 1 (1998), 2-10.

[7] Vgl. Die Bibel in der Kunst. Gemälde – Zeichnungen – Grafiken. The York Project (Die digitale Bibliothek: DVD).

[8] Augustinus, Ep. 243,10 (CSEL LVII, 577) Zit. nach Monika Leisch-Kiesel, Eva als Andere. Eine exemplarische Untersuchung zu Frühchristentum und Mittelalter, Köln u.a. 1992, 61 Anm. 51.

[9] Vgl. zur frauenfeindlichen Auslegungstradition: Helen Schüngel-Straumann, Die Frau am Anfang. Eva und die Folgen, Münster 31999.

[10] Vgl. http://www.jebe.de/Parfuemerie-Kosmetik/Damen-Duefte/Joop.

[11] Ilse Müllner, Das vermarktete Paradies. Der utopische Gehalt der biblischen Schöpfungserzählungen, in: Spurensuche für eine Spiritualität solidarischen Lebens, hrg.v. Misereor, red. v. N. Arntz, Aachen 1997, 27-40, 32.

[12] Alle Bibelzitate sind aus der Bibel in gerechter Sprache, hrg.v. Ulrike Bail u.a., Gütersloh 2006.

[13] Sally Gross, Intersexuality and Scripture, http://www.bfpubs.demon.co.uk/sally.htm.

[14] Vgl. Isolde Karle, „Da ist nicht mehr Mann noch Frau ...“. Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz, Gütersloh 2006, 226.

[15] Der Hexenhammer kommentiert beispielsweise einen ohnehin misogynen Spruch aus dem Buch der Sprüche mit einem Verweis auf die Erschaffung der Frau aus der Rippe: „Sprüche 11 heißt es gleichsam das Weib beschreibend: Ein schönes und zuchtloses Weib ist wie ein goldner Reif in der Nase einer Sau. Der Grund ist ein von der Natur entnommener: weil es fleischlicher ist als der Mann, wie aus den vielen fleischlichen Unflätereien ersichtlich ist. Diese Mängel werden auch gekennzeichnet bei der Schaffung des ersten Weibes, indem sie aus einer krummen Rippe geformt wurde, d. h. aus einer Brustrippe, die gekrümmt und gleichsam dem Mann entgegengeneigt ist. Aus diesem Mangel geht auch

hervor, dass, da das Weib nur ein unvollkommenes Tier ist, es immer täuscht.“ (Malleus maleficarum - Hexenhammer aus dem Jahr 1487).

[16] Ilse Müllner, Der Mensch ist zwei und Gott noch mehr. Literary criticism und die Schöpfungserzählungen der Genesis, Schlangenbrut 58 (1997), 8.

[17] Vgl. ebd.

[18] Zu Genesis 1 und 2 siehe auch: Othmar Keel/Silvia Schroer, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen 22008.

[19] Magdalene L. Frettlöh, Wenn Mann und Frau im Bilde Gottes sind ... Über geschlechtsspezifische Gottesbilder, die Gottesbildlichkeit des Menschen und das Bilderverbot, Wuppertal 2002, 31.

[20] Ebd.

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Prof. Dr. Ulrike Bail,

ist apl. Prof. für Altes Testament an der Ruhr-Uni-Bochum, Schriftstellerin und Dozentin für Deutsch als Fremdsprache (DaF) in Luxemburg.

© Ulrike Bail, 2012, lectio@theol.unibe.ch, ISSN 1661-3317

 
 
 
 

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