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02-2000

Ernst Axel Knauf Vom Prophetinnenwort zum Prophetenbuch: Jesaja 8,3f im Kontext von Jesaja 6,1-8,16

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Abstract:

The prophetess was a social reality in the Ancient Near East as well as in pre-exilic Israel and Juda. Isaiah 7,1-8,4 contains three prophecies originating in the year 734 BCE (Isaiah 7,4-7*; 7,14-16*; 8,3-4*). At least one of these (Isaiah 8,3-4*) was uttured by a female prophet. The prophetic books of the OT, on the other hand, are not the work of prophets, but of priests, scholars, and scribes, who made use of collections of prophetical sayings of the same kind as is attested in Assyria. In the case of Isaiah, the career of Isaiah as the fictitious author of a prophetical book started among oppositional circles during the reign of Manasseh, and came to an end, after various re-editions of the book, at the end of the 3rd century BCE. There is no prophetess among the canonical prophets, because politics and scholarship, at least in public, were male domains.

Im Alten Orient gab es mehr Prophetinnen als Propheten; in den assyrischen Prophetien aus der Regierungszeit der Könige Asarhaddon und Assurbanipal sind von dreizehn namentlich genannten prophetischen Personen sind nur vier männlich, sieben sind weiblich und zwei a- oder bi-sexuell[1] . Das mag damit zusammenhängen, daß in Assyrien die belegte Prophetie meistens im Namen der Göttin Ischtar ergeht und damit einen Bezug zu deren Kult und Kultpersonal gehabt haben könnte[2] . Aber schon in Mari waren die meisten Propheten – Prophetinnen. Prophetie war ein parasoziales Element; schon im Alten Orient wehte der Geist, wo er/sie wollte. Keine Person konnte sicher davor sein, von einer Gottheit als Sprachrohr beansprucht zu werden[3] . Prophet war in erster Linie kein Beruf (was nicht verhinderte, daß erwiesenermaßen prophetisch begabte Personen von Tempeln und Palästen in Dienst genommen wurden, oder sich zu Genossenschaften zusammenschlossen), sondern ein individuelles Schicksal, das jede und jeden treffen konnte. Damit unterlag die Prophetie nicht den Genderrestriktionen, die sonst die möglichen sozialen Rollen einer Person limitierten.

Daß es auch in Israel Prophetinnen gab und nicht nur Propheten, ist aus den biblischen Quellen gerade noch zu erahnen. Von den erwähnten fünf Prophetinnen gehören zwei der grauen Vorzeit an (Mirjam Ex 15,20 und Debora Ri 4,4). Unter Joschija beglaubigte eine Prophetin, Hulda, die Authentizität des «gefundenen» Gesetzes (2 Könige 22,14 = 2 Chronik 34,22), unter Nehemias prophetischen Widersachern ist nur eine Prophetin, Noadja, namentlich erwähnt (Nehemia 6,14). Bei der fünften, anonymen Prophetin Jesaja 8,3 scheint es sich auf den ersten Blick um nichts weiter als die Ehefrau des Propheten Jesaja zu handeln (aber dieser Blick könnte täuschen).

Alle Prophetenbücher sind jedoch von Männern verfaßt oder geben zumindest vor, es zu sein. Ein Prophetinnenbuch sucht man in der Bibel vergebens. Umgekehrt gibt es im Alten Orient keine Parallelen zu den biblischen Prophetenbüchern, obwohl Prophetinnen und Propheten sowie «prophetische Literatur» weit verbreitet waren.

Die außerbiblische prophetische Literatur besteht (a) aus Prophetenerzählungen wie dem «Buch des Sehers Balaam», das in Sukkot (Tell Deir ‘Alla) auf eine Stele kopiert und so veröffentlicht wurde[4] ; und (b) aus einzelnen Prophetensprüchen, die von der Verwaltung als staatspolitisch bedeutsam aufgezeichnet wurden (SAA IX 5ff) wie auch (c) aus thematischen Sammlungen von Sprüchen mehrerer Propheten wie SAA IX 1-3[5] zur Thronfolge Asarhaddons, die wegen ihrer legitimierenden Funktion (nicht nur für diesen König, sondern auch für seine Nachfolger) zusammengestellt und aufbewahrt wurden.

Die einzelnen Elemente der Prophetenbücher, Prophetenerzählungen wie Spruchsammlungen, sind sowohl außerbiblisch als auch vorexilisch belegt. Daß es das «Endprodukt», das biblische Prophetenbuch, nicht ist, gibt Anlaß zur Vermutung, daß diese Gattung und damit auch der biblische «Prophet» als fiktiver Autor seines Buches das Produkt eines Überlieferungsprozesses sind, der in entscheidendem Umfang in exilisch-nachexilischer Zeit stattgefunden hat. Der offensichtliche Ausschluß der Prophetin vom kanonischen Prophetenbild wird sich abschließend so erklären lassen. Aber zuerst ist dem Weg, der vom Prophetinnenwort zum Propheten-Buch geführt hat, einmal mehr nachzugehen[6] .

Die Prophetin von Jesaja 8,3f

Da die Frau eines Propheten noch keine «Prophetin» ist, müssen wir die pseudobiographische Verknüpfung dieser anonymen Prophetin mit Jesaja hinterfragen. In Jesaja 8,1-4 spricht der Prophet wieder wie in Jesaja 6 in der ersten Person, nachdem im ganzen Kapitel 7 über ihn in der dritten Person die Rede war. 8,1 nimmt den Clou von 8,3 (erklärt in 8,4), den durchaus unüblichen Namen «Eilebeuteraubebald» ungeschickt vorweg. Ihm wird etwas zum Erbe ausgesetzt (aber was?); die Liste der Zeugen 8,2 bestätigt, daß es sich um einen Rechtsakt handeln muß, ist aber im Kontext (wer sind diese Personen? Warum werden gerade sie als Zeugen aufgeboten?[7] ) herzlich belanglos. Mit anderen Worten: Die textliche Brücke, die aus der Prophetin die (oder eine) Frau Jesajas macht und 8,3f zu einem Jesajawort, ist ausgesprochen instabil. Es handelt sich um eine redaktionelle Verbindung von 8,3f* mit 6*[8] .

Wenn in einem vermutlich alten Text (das wird sich substantiieren lassen) eine Prophetin auftritt, dann hat sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch etwas gesagt[9] . Betrachten wir in 8,3 «ich näherte mich der» und in der Einleitung der Jhwh-Rede das «zu mir» als «Jesajanische Adaption» der Prophetinnentradition, ist am Anfang nur ein [dbr PN] zu ergänzen, um einen sinnvollen Text zu gewinnen[10] :

8,3 [Die Angelegenheit von PN,] der Prophetin: Sie wurde schwanger und gebar einen Sohn. Jhwh sagte {zu ihr}: Man nenne[11] ihn Eilebeuteraubebald; (4) denn bevor der Junge «Pappi» und «Mami» zu sagen versteht, wird das Vermögen von Damaskus und die Beute von Samaria vor den König von Assur getragen werden.

Wir haben einen in sich abgeschlossenen Text vor uns, der vor dem Hintergrund des Krisenjahres 734 aus sich selbst heraus verständlich ist: Damaskus und Samaria werden bald zu Assurs Raub und Beute, und zwar innerhalb des nächsten Jahre.; 733 eroberte Tiglatpileser III. in der Tat Israel, aber erst im nächsten Jahr fiel Damaskus. Die kleine zeitliche Unstimmigkeit spricht durchaus für die Authentizität des Textes.

Der primäre literarische Kontext des Prophetinnenwortes: die Sammlung «734»

Damit fügt sich das anonyme Prophetinnenwort Jesaja 8,3f in die Reihe der beiden Prophetien, die Jesaja 7 zugrunde liegen: Jesaja 7,4-7* und 7,14b-16. In beiden geht es um die Bewahrung Jerusalems vor der damaszenisch-israelitischen Koalition.

7,4 (ab «Fürchte dich nicht») ist ein typisches Heilsorakel für den König in einer Krisensituation, wie es auch in Hamat und Assyrien gut belegt ist[12] . Mit 7,7 ist alles gesagt[13] .
7,14b-16[14] ist primär ein Geburtsorakel (vgl. Gen 16,11; 25,23) an eine unbekannte junge Frau aus der Oberschicht, wie der Speisezettel des Kindes 7,15[15] anzeigt (daß auch 8,3f im Umkreis des Hofes anzusiedeln ist, legt die Bezeichnung na‘ar «Knabe, Knappe» des Säuglings in 8,4 nahe). Im zeitgeschichtlichen Kontext sagt der Spruch dem Jerusalemer Hof: euch und euren Kindern geht es gut, und es wird euch auch weiter gut gehen, bis in spätestens drei Jahren (der Horizont von 7,16) der damaszenisch-israelitische Spuk vorübergegangen sein wird.

Im jetzigen Zustand des Textes sind alle drei Prophetensprüche zum Jahre 734 anonym. Es ist wahrscheinlich, daß der erste Spruch 7,4-7* in der Tat von einem Jesaja ben Amoz stammt, über den wir sonst nichts wissen, den es aber gab, denn irgendwoher muß die Buchredaktion den Namen bezogen haben, und es ist nicht nur wegen der assyrischen Praxis, sondern auch aus logischen Gründen unwahrscheinlich, daß Prophetensprüche anfänglich anonym aufgezeichnet wurden (Wo bliebe dann die Authentizität und die Autorität?). Der dritte Spruch, 8,3f* stammt hingegen mit Sicherheit von einer Prophetin, und bei 7,14b-16 legen Thematik und Bildlichkeit durchaus die gleiche oder eine andere Prophetin als Verfasserin nahe.

Bleiben die Prophetengestalten in Jesaja 7,4-8,4* auch weitgehend im Dunkeln, lassen sich über Ursprung und Überlieferung der Sammlung «734» doch einige Aussagen machen[16] . Den drei Sprüchen ist gemeinsam, daß sie den Entschluß des Ahas, sich auch unter Druck nicht der anti-assyrischen Koalition anzuschließen, rechtfertigen – wie es dann auch der Verlauf der Ereignisse getan hat. Dabei ging es wohl nicht einfach um Neutralitätspolitik. Wie die Formulierung in 7,6 «wie wollen es (Juda) zu uns abspalten» andeutet, befand sich Juda zur Zeit des Angriffes wahrscheinlich schon in assyrischer Vasallität. Augenblickliche Kontaktaufnahme mit den neuen Herren der Region war aufgrund seiner geographischen Lage, der machtpolitischen Konstellation und der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Juda und Philistäa[17] die einzig vernünftige Alternative, nachdem Tiglatpileser III. 734 Gaza besetzt hatte[18] . Die Sammlung «734» rechtfertigte auch für die Zukunft die proassyrische Politik des Jerusalemer Hofes, mit der Ahas gut gefahren war, die Hiskija sehr zum Schaden seines Staates kurzfristig widerrufen hatte und mit der sein Sohn und Nachfolger Manasse – mit einer Regierungszeit von 55 Jahren der bei weitem erfolgreichste judäische König – seinem Land eine nie zuvor erreichte Prosperität brachte[19] . Die Sammlung «734» hat also die gleiche Funktion wie die assyrischen Prophetenspruchsammlungen SAA IX 1-3/4: die gegenwärtige Politik durch den Rückblick auf ihre göttlich abgesegneten Anfänge zu legitimieren. Sie dürfte damit auch den gleichen «Sitz im Leben» gehabt haben: das Staatsarchiv[20] . Legitimationsbedürftig war die pro-assyrische Politik, weil sie auf Widerstand stieß. Das zeigt sich nicht nur an Hiskijas politischem Abenteuer, sondern auch an der Opposition, die sich in der Manassezeit formierte[21] – nicht zuletzt in Gestalt eines ersten Jesajabuches.

Das erste Jesajabuch der Manassezeit

Mit der Sammlung «734» hat die Opposition unter Manasse sich sozusagen das beste Pferd im Stall des Gegners angeeignet und es durch die Ausgestaltung zu einem Prophetenbuch für sich gesattelt.
Zu dieser Buchredaktion gehört die Überschrift 2,1[22] «Was Jesaja ben Amoz schaute über Juda und Jerusalem», der Berufungsbericht 6,1-10*, die «Jesaja-ierung» des Prophetinnenwortes 8,3f durch 8,1f, und der Buchschluß 8,11-16.

Ein «Berufungsbericht» hat prinzipiell seinen «Sitz in der Literatur». Von altorientalischen ProphetInnen sind Visionen bekannt, aber keine Berufungsberichte[23] . Die prophetische Person, deren Botschaften keinen Glauben finden, wird dadurch nicht glaubhafter, daß sie von einer Berufung erzählt. Mit dem «Berufungsbericht» beglaubigt die Gemeinschaft der Tradierenden die eigene Tradition.

Jesaja 6,1-10 stellt vor ein seit langem diskutiertes theologische Problem, den Verstockungsauftrag 6,9f, enthält aber auch eine Reihe von sozial- und religionsgeschichtlichen Unstimmigkeiten, die noch nicht alle erkannt sind.

Ein erstes Problem ist die Vergesellschaftung der Serafim (6,2-6) mit der Präsentation Jhwhs als thronenden und daher höchsten Gott. Die Seraphim gehen auf die Übernahme ägyptischer Symbolik (Uräusschlange) in Juda im ausgehenden 8. Jh. vor Christus zurück[24] . Der Name bezeichnet sie als «die Brennenden»; in der Ikonographie der Zeit Hiskijas und Manasses sind sie vierflügelig dargestellt, der Text vermehrt die Flügelpaare um ein weiteres. Joschijanisch oder jünger kann der Text aufgrund seiner Bildsprache nicht sein[25] . Zum «Höchsten Gott» wird Jhwh aber erst unter Joschija (Psalm 82)[26] ; bis dahin galt in der offiziellen Theologie Deuteronomium 32,8f (Septuaginta/Qumran), wonach Jhwh lediglich ein Sohn des Höchsten Gottes war. Unter assyrischer Oberherrschaft war diese Theologie reichskonform: Assur beanspruchte, die Götter der Vasallenstaaten geboren zu haben[27] .

Sollte die «Revolution im Himmel» (Handy) unter Joschija von der Opposition zur Zeit Manasses vorbereitet worden sein? Unter assyrischer Herrschaft war ein Text, der Jhwh als «Höchsten Gott» proklamiert (sehr subtil: 6,1 wird ein «Adonaj» eingeführt, der erst 6,3, aus dem Mund der Serafim, als Jhwh namentlich identifiziert wird) hochverräterisch und subversiv (als solches präsentiert sich das erste Jesajabuch dann in 8,11-16). Zugleich ist in dieser Zeit die Serafim-Ikonographie noch vorstellbar, besonders wenn W. Zwickel mit seiner ansprechenden Vermutung Recht hat, daß 6,2 auf eine Uräenleiste oberhalb des Allerheiligsten anspielt[28] , wie sie zur Hiskijazeit dort angebracht worden sein mag.

Zweitens stimmt das Jesaja-Bild von 6* nicht mit dem wenigen überein, was wir über den historischen Jesaja (und seine anonymen Kolleginnen) wissen. Sie wirkten am Hofe, ihre Prophezeiungen gingen in Erfüllung und wurden für die nächsten hundert Jahre im Staatsarchiv bewahrt. Das ist das Gegenteil von prophetischer Erfolglosigkeit. Auch hätte kein Hofprophet des 8. Jahrhunderts vor Christus Grund gehabt, sich als «einer des Volkes» zu verstehen, noch dazu eines Volkes, dessen Schuld und Sünde erst zu «bedecken» wären – es sei denn, in den Text wäre spezifisch priesterliche Ideologie eingegangen, und ein Priester war der historische Jesaja gewiß nicht. Der Auftrag 6,9f[29] müßte den erfolgreichen Propheten Jesaja so verwirrt haben wie die Exegese und die Theologie seitdem. Dieser Text ist nur als redaktions- und theologiegeschichtlicher Akzent sinnvoll zu verstehen: Was man bislang meinte, vom Propheten Jesaja (und seinen Kolleginnen) verstanden zu haben – die Bejahung der proassyrischen Politik – das hat man eben gründlich mißverstanden. Im Grunde war Jhwh schon immer gegen die Assyrer.

Genau hier setzt 8,1-2 ein. Jhwhs Beauftragter vermacht sein Erbe (also doch wohl Jerusalem und Juda) dem Eilebeuteraubebald, also den Assyrern, die in der ursprünglichen Tradtion noch sozusagen auf Jhwhs Seite gefochten hatten. Die Opposition des 7. Jahrhunderts weigert sich damit, zwischen dem Status als assyrischer Provinz (Damaskus, Samaria) und Vasall (Juda) einen Unterschied zu machen. Ganz gerecht war das nicht. Die im Kontext des Jahres 734 nicht sinnvoll unterzubringenden Personen von 8,2 könnten die Väter oder Großväter der Gewährsmänner (oder der Protektoren) dieser Buchausgabe sein. Die Opposition fand innerhalb der Jerusalemer Hofaristokratie statt; zur Zeit Jeremias scharte sie sich um die Familie der Schafaniden.

Daß sich damit zumindest eine priesterliche Familie unter der Opposition zur Zeit Manasses befand, wirft entscheidendes Licht auf die Herkunft von Jesaja 6,1-10. Der Verfasser ist mit dem Tempelinnenraum ebenso vertraut wie mit dem priesterlichen Konzept kultischer Reinheit. Vor allem schildert er die Präsenz der Gottheit im Tempel – leiblich anwesend und zugleich vom Kultraum nicht begrenzt – nicht anders, als sie seine assyrischen Kollegen zur gleichen Zeit verstanden und beschrieben haben[30] . Jesaja 6,1-10 ist ein gänzlich aus priesterlichem Fachwissen konstruierter Text[31] .

Daß es sich bei Jesaja 6-8* um Untergrund- und Minderheitenliteratur handelt, wird 8,11-16 vollends deutlich. Darum ist dieses Jesajabuch, im Gegensatz zur Sammlung «734», nicht zu veröffentlichen, sondern im Verschwörerkreis in der Hoffnung auf andere Zeiten unter Verschluß zu halten. Mit der Thronbesteigung des achtjährigen Joschija 640 vor Christus brachen diese Zeiten an, ergriff die Opposition der Manassezeit die Macht.

Wie es weiterging

Das Jesajabuch der Manassezeit würde, fortlaufend gedruckt, auf einer Seite Biblia Hebraica Platz finden. Dennoch hat es mit dem keine hundert Jahre früher wirkenden Propheten Jesaja und seinen Kolleginnen schlechterdings nichts mehr zu tun. Der «Jesaja» des Jesajabuches ist von Anfang an «jemand anderes» als die Prophetinnen und Propheten, die im Jahr 734 real aufgetreten sind. Mit der Buchwerdung der Jesajatradition war nun aber ein Prozeß eingeleitet, der durch die konsekutive Verarbeitung der Geschichte Judas bis etwa 200 vor Christus zu dem Jesajabuch führen sollte, das heute vorliegt.

640 trat das Buch aus seiner Klandestinität und wurde wegen seiner programmatischen Nähe zu den herrschenden protodeuteronomistischen Kreisen zweifellos in das Repertoire der Tempel- und Palastschule aufgenommen. Die Joschijazeit trägt sich mit den beiden Fortschreibungen Jesaja 9,1-6; 9,7-20* ein: die vollzogene Heilswende in Juda, die noch ausstehende Wende in/für Samaria[32] .

Eine zweite Buchedition ist kurz vor dem Exil in der Zidikijazeit erfolgt. Sie trägt aus einer antijeremianischen Haltung heraus die Jesaja-Legenden 7,10-14a; 36-39 ein, die als Brückentexte 10*; 28-31* voraussetzen[33] . Jetzt erst war das Jesajabuch zu umfangreich geworden, um noch unter den späteren «Zwölf Propheten» Aufnahme zu finden. Als Einleitung dieser Edition diente 5,1-7[34] .

Eine dritte Buchediton stellte die neue Einleitung 3,1-7* an den Anfang, worin die Zustände in Juda während der «Exilszeit» als Erfüllung der jesajanischen Unheilsweissagen interpretiert werden (auch 6,11; 10,28-32 – ein Rückblick auf den babylonischen Anmarsch 588/86[35] – dürften zu dieser Redaktion gehören). Dies bedeutet, daß die Proto-Jesaja-Tradition während der Exilszeit im Lande (in Mizpa oder Bet-El?) fortgeschrieben wurde, nicht in Babylonien[36] .

In der Perserzeit kam es zur vierten, weisheitlich und armentheologisch geprägten Edition mit der Einleitung 2,12-17[37] , und der Fortschreibung des Weinbergliedes um 5,8-20*. Auf dieser Redaktionsebene, die am Jerusalemer Tempel anzusiedeln ist, gehörten auch Jesaja 40-66* bereits zum Jesaja-Buch[38] .

Die weisheitliche Bucheinleitung Kapitel 2 wurde «apokalyptisch» fortgeschrieben, wahrscheinlich im Zusammenhang der Einfügung der Jesajaapokalypse Kapitel 24-27 um 250 vor Christus[39] .

Die Schlußredaktion hat um 200 vor Christus 1,1-2,4 verfaßt, nicht nur als Einleitung in Jesaja 1-66[40] , sondern geradezu als «Kompendium prophetischer Theologie», als Einleitung in Jesaja-Jeremia-Ezechiel-Zwölfproheten, also den «Hinteren Propheten», und als Überleitung von den Königsbüchern zu diesen[41] .

Aus dem Jesajabuch erfahren wir nichts mehr über die Prophetinnen, die mit am Anfang der Tradition standen. Aber trösten wir uns: Wir erfahren auch nichts über den oder die Propheten, die darin eingegangen sind. Über die Person, die Biographie, die Theologie, die Politik dieses oder anderer Prophetinnen und Propheten wissen wir so gut wie nichts und mehr können wir nicht wissen. Was wir erkennen können, sind die politischen Interessen der Kreise, die das Buch gestaltet und immer wieder umgestaltet haben. Prophetie war im Alten Orient und im Alten Israel nicht genderspezifisch, aber Politik und die Produktion von ideologischen Rechtfertigungen für die politische Auseinandersetzung war Männersache – mit den bekannten katastrophalen Resultaten. Und deswegen gibt es kein Prophetinnenbuch in der hebräischen Bibel.

 

[1] S. Parpola, Assyrian Prophecies (State Archives of Assyria IX; 1997) XLVIII-LII.

[2] Parpola, Prophecies, XLVIIf; M. Nissinnen, References to Prophecy in Neo-Assyrian Sources (State Archive of Assyria Studies VII; 1998) 164.

[3] Weil in der Prophetie nicht die Person sprach, sondern die Gottheit durch die Person, ist die Frage nach der individuellen «Verkündigung» oder gar der «Politik» der Prophetinnen und Propheten, die einmal real existiert haben, gegenstandslos. Sie wird dem Selbstverständnis dieses Personenkreises nicht gerecht.

[4] M. Weippert, Der "Bileam"-Text von Tell Der ‘Alla und das Alte Testament: ders., Jahwe und die anderen Götter (Forschungen zum Alten Testament 18; 1997) 163-188, 174; 184-186; E.A. Knauf, Die Umwelt des Alten Testaments (Neuer Stuttgarter Kommentar - AT 29; 1994) 224.

[5] Das Siglum SAA IX bezeichnet die von Papola, Prophecies, veröffentlichten Texte nach der Numerierung des Herausgebers.

[6] Für Jesaja hat dies U. Becker, Jesaja – von der Botschaft zum Buch (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 178; 1997) bereits gründlich und weithin überzeugend getan. Daß ich in einigen Punkten zu anderen Ergebnissen komme, kann den Dank, den ich Becker für seine Arbeit schulde, in keiner Weise schmälern. Das Grundproblem in Beckers Rekonstruktion scheint mir zu sein, wie eine Grundschicht aus dem ausgehenden 8. Jh. vor Christus erst in persischer Zeit fortgeschrieben worden sein kann – wer hat das Dokument auf wunderbare Weise 200 Jahre lang unverändert konserviert? Ebenso unplausibel ist aber auch der Versuch, dem «historischen Jesaja» große Teile von Jesaja 1-10 zuzuweisen (so zuletzt wieder J. Barthel, Prophetenwort und Geschichte. Die Jesajaüberlieferung in Jesaja 6-8 und 28-31 [Forschungen zum Alten Testament 19; 1997]), da die zugrundeliegende Vorstellung vom «verkündigenden» und «politisierenden», womöglich sein eigenes Buch als erster redigierenden Propheten zutiefst unhistorisch ist (vgl. Anm. 3).

[7] Urija ist nach 2 Könige 16,10-16 der Jerusalemer (Ober)-Priester, der den Altar nach den Wünschen des Ahas umbaut; ein «Held» deuteronomistischer Kreise kann er damit nicht sein. Damit hat die Charakterisierung des Verses als «Zuwachs» bei Becker, Jesaja, 94, wenig für sich. Weniger sicher, aber nicht unplausibel ist die Vermutung, daß es sich bei Secharja um den Schwiegervater Ahas‘ handeln könnte (2 Könige 18,2; Barthels, Prophetenwort, 191). Diese beiden Personen als «Schüler» (ebd.) Jesajas zu bezeichnen, ist allerdings ein arger terminologischer Mißgriff. Ihrer sozialen Stellung nach wären sie eher dessen Protektoren, wenn der historische Jesaja seiner Stellung zum Königshaus entsprechend solche nötig gehabt hätte (anders ging es später Jeremia). Das angedeutete Problem wird im folgenden eine redaktionskritische Lösung finden.

[8] Becker, Jesaja, 95f. Die Spannung zwischen 8,1f und 8,3f beobachtet auch Barthels, Prophetenwort, 188-193, um dann die redaktionskritischen Konsequenzen anzudeuten, aber nicht zu ziehen.

[9] Die «biographische» Interpretation von Barthels, Prophetenwort, 191 Anm. 40 scheitert daran, daß das «ich» von 8,3f aus der redaktionellen Verbindung mit 6* (durch 8,1f) herrührt.

[10] Natürlich kann der ursprüngliche Text stärker vom vorliegenden abgewichen sein; dies sind die minimalen Eingriffe.

[11] Man kann die Korrektur des qr’ in *qr’y umgehen, wenn man Infinitivus absolutus liest.

[12] Vergleiche die Zakkur-Inschrift KAI 202,11ff; SAA IX 1 i 5'; 24'; 30'; ii 16' uö; M. Weippert, Die Bildsprache der neuassyrischen Prophetie: Orbis Biblicus et Orientalis 64 (1985) 55-93; ders., De herkomst van het heilsorakel voor Israël bij Deutero-Jesaja: Neederlands Theologisch Tijdschrift 36 (1982) 1-11.

[13] Die narrative Verumständung 7,1.3, der Spruch vom «Glauben und Bleiben» 9B und der «Zeichen»-Dialog 7,10-14 sind von der spätvorexilischen Hiskija-Redaktion (597-586) abhängig (Becker, Jesaja, 37-60), die ihrerseits aber wegen 37,3 einen Grundbestand von 7*.8* voraussetzt. Durch den Bezug auf 36-39 erklärt sich auch die 3. Person Singular. in Jesaja 7. 7,4bc «Paß auf dich auf und bleibe ruhig!» kann ebensogut schon zum alten Heilsorakel gehört haben (vgl. SAA IX 1 ii 8'; iv 1; 2 ii 11f uö, aber warum vor dem «Fürchte dich nicht!»?), wie zur Hiskija-Redaktion gehören (Stichwort «Glauben»: 36,4-7!). «Beim Glühen des Zorns von Radhyân und (von) Aram und (vom) Remalja-Sohn» ist ungeschickte Glosse zu «rauchenden Brandscheiten» (und miserables Hebräisch). 8B «und noch 65 Jahre…» ist ebenfalls eine schwer stratifizierbare und noch schwerer interpretierbare Glosse: Von welchem Jahr wird auf welches andere Datum vorausgeschaut? 586 – 520? Barthels, Prophetenwort, 121, verweist auf Esra 4,2.10 – eine für das 7. Jh. vor Christus schwerlich vertrauenswürdige Quelle; auf seinem ersten Ägyptenfeldzug streifte Asarhadon allerdings 671 vor Christus das Gebiet von Samaria (Assarhaddon Fragment F, Vs. 16). 8-9A schauen auf 31,1-3 voraus (dort steht die hier unterschlagene Prämisse) und gehören damit auch zur Hiskijaredaktion. – Nebenbei: kleine lateinische Buchstaben bezeichnen die Sätze innerhalb eines Verses in Prosa, große die poetischen Verse innerhalb eines Bibel-Verses in Poesie.

[14] 7,17 «den König von Assur» ist syntaktisch nicht integrierte Randglosse zu V.17, abhängig von «er wird bringen». V. 17 gehört entweder der Hiskijaredaktion an (der zumindest das ältere Material in Könige, wenn nicht Könige* selbst schon vorlag), oder, unwahrscheinlicher, frühestens der Buchredaktion, die dann die Manassezeit im Gegensatz zu den meisten ihrer Zeitgenossen als Unglückszeit qualifiziert hätte.

[15] Becker, Jesaja, 40 mit Anmerkung 79; Barthels, Prophetenwort, 142, wie viele Andere auch streichen den Vers als «Dublette» (die er nicht ist: die Wiederaufnahme von «Gut und Böse» in v. 16 ist Rhetorik), ohne ihm einen befriedigenden redaktionsgeschichtlichen Ort anweisen zu können («messianisch» – so Becker, Jesaja, 40 – ist daran nichts, man darf den Vers historisch nicht von seiner textinternen Exegese 7,21f her lesen).

[16] Wahrscheinlich bildet 7,2 ihre alte Einleitung, denn dort taucht noch einmal die altertümliche Bezeichnung «Bet Dawid» für das Königreich von Jerusalem auf, die in jenen Jahren durch die modernere Bezeichnung «Juda» abgelöst werden sollte (Erstbelegt für «Juda»: Tiglatpileser III., Summary Inscription 7 Rs. 11', 729 vor Christus); vergleiche E.A. Knauf, Das «Haus Davids» in der alt-aramäischen Inschrift vom Tel Dan: Bibel und Kirche 51/1 (1996), 9-10.

[17] S. Gitin, The Neo-Assyrian Empire and its Western Periphery: The Levant, with a Focus on Philistine Ekron: S. Parpola – R.M. Whiting ed., Assyria 1995. Proceedings of the 10th Anniversary Symposium of the Neo-Assyrian Text Corpus Project, Helsinki, September 7-11, 1995 (Helsinki 1997), 77-103.

[18] M. Weippert, Zur Syrienpolitik Tiglatpilesers III.: H.J. Nissen – J. Renger ed., Mesopotamien und seine Nachbarn (Berliner Beiträge zum Vorderen Orient 1; 1982) II, 395-408.

[19] I. Finkelstein, The Archaeology of the Days of Manasseh: M.D. Coogan, J. Cheryl Exum, L.E. Stager ed., Scripture and Other Artefacts. Essays on the Bible and Archaeology in Honor of Philip J. King (Louisville 1994) 169-187.

[20] Beckers Vermutung (Jesaja, 287), daß der historische Jesaja sich angemessener im Kontext der zeitgenössischen (assyrischen) Prophetie verstehen läßt als aufgrund seiner innerbiblischen Wirkungsgeschichte, läßt sich damit auch von der Redaktionsgeschichte beider Corpora, des biblischen wie des assyrischen, her bestätigen.

[21] W. Dietrich, Der Eine Gott als Symbol politischen Widerstands. Religion und Politik im Juda des 7. Jahrhunderts: ders. – M.A. Klopfenstein ed., Ein Gott allein? (Orbis Biblicus et Orientalis139; 1994) 463-490; vergleiche auch C. Hardmeier, Verkündigung und Schrift bei Jesaja. Zur Entstehung der Schriftprophetie als Oppositionsliteratur im alten Israel: Theologie und Glaube 73 (1983) 119-134.

[22] Die alte Überschrift wurde durch spätere Buchausgaben und deren Einleitungen immer weiter nach vorne geschoben, bis sie von der Schlußredaktion in 1,1-2,4 integriert wurde; vergleiche Becker, Jesaja, 127-199. Wäre freilich die Einleitung 2,1 erst sekundär zu 1,21-26;2,2-5 «hinzugetreten» (so Becker, 197), bliebe ihre gegenüber der Einleitung 1,1 von Kön unabhängige und darum ältere (!) Formulierung unerklärlich: sie war die ganze Zeit schon da und fand sich sukzessive vor 6,1; 5,1; 3;1; 2,10, bis sie im Rahmen von 1,1-2-5 den einzigen Ort erhielt, an den sie in diesen Kontext paßte.

[23] Vgl. den Bileam-Text von Tel Deir ‘Alla, II-IV; XVIIIff (Weippert, "Bileam"-Text, 165f; 179-183); SAA IX 3 II 35-III 15. Im ganzen Dodekapropheton gibt es keinen «Berufungsbericht». Was in der assyrischen Literatur einem «Berufungsbericht» am nächsten kommt, ist der Bericht Asarhaddons von seiner Thronfolge (Asarhaddon, Ninive-Prisma A I 5-7; 59-62; II 12-39; er war nicht der Kronprinz). Liegt in dieser assyrischen Propaganda, die im manassitischen Jerusalem mit Sicherheit (in aramäischer Übersetzung) bekannt war, der Ausgangspunkt zur Bildung der Gattung «Berufungsbericht» in der prophetischen Literatur vor?

[24] B.U. Schipper, Israel und Ägypten in der Königszeit (Orbis Biblicus et Orientalis 170; 1999) 199-228; 285-294.

[25] O. Keel, Jahwe-Visionen und Siegelkunst (Stuttgarter Bibelstudien 84/85; 1977) 46-124; O. Keel – Ch. Uehlinger, Göttinnen, Götter und Gottessymbole (Qaestiones disputatae 134; Freiburg – Basel – Wien 41998) 311-314.

[26] L.K. Handy, A Realignment in Heaven: an Investigation into the Ideology of the Josianic Reform (Ph. D. Dissertation Chicago 1987).

[27] Vergleiche B. Pongratz-Leisten, The Interplay of Military Strategy and Cultic Practice in Assyrian Politics: S. Parpola – R.M. Whiting ed., Assyria 1995. Proceedings of the 10th Anniversary Symposium of the Neo-Assyrian Text Corpus Project, Helsinki, September 7-11, 1995 (Helsinki 1997) 245-252.

[28] W. Zwickel, Der salomonische Tempel (Kulturgeschichte der antiken Welt, Bd. 83. Mainz 1999), 82f. Zwickels Rekonstruktion des Inneren des salomonischen Tempels (Tafel 5) zeigt nach Ansicht des Verfassers einen Jerusalemer Kultraum des ausgehenden 8. Jh. v. Chr., wie es ihn dort vorher nicht und nachher nicht mehr lange gegeben hat.

[29] Wenn man ihn literarkritisch streicht, verliert der Text seine Pointe und seine raison d'être. Der Rekonstruktionsversuch von Becker, Jesaja, 61-102, wirkt wie der Parademarsch eines Divisionsmusikkorps, dem ein einzelner Füsilier hinterherparadiert.

[30] A. Berlejung, Die Theologie der Bilder (Orbis Biblicus et Orientalis 162; 1998) 24f; 172-177; 281-283.

[31] Den vermeintlichen «Erfahrungsbezug» des Textes muß Barthels, Prophetenwort, 81, erfinden. Der romantischen Deutung von Jes 6* als einem autobiographischen Text des Propheten steht entgegen, daß die altorientalische Autobiographie von den Grabinschriften des Alten Reiches bis zu den Nehemia-Memoiren gerade nicht an individuellen Erfahrungen und Erlebnissen interessiert ist, sondern an der Dokumentation rollenkonformen Verhaltens gegenüber den Göttern und der Nachwelt. So eignet sich das Genre in besonderem Maße zur Kreation eines «virtuellen Propheten», eben des «Schriftpropheten Jesaja».

[32] Vergleiche immer noch H. Barth, Die Jesaja-Worte in der Josiazeit (Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 48; 1977) 141-177; Barthels, Prophetenwort, 59f. Die Verbalformen stehen durchweg für Vergangenheit: x-qatal 9,1A.B; 3B; 4C (casus pendens!); 5A; wa=yiqtol-x 5B.C. In Poesie (= Rede) ist qatal-x für Vergangenheit nicht zu beanstanden: 2A.B; das einzige yiqtol-LF steht 2C für generellen Sachverhalt. 9,3f schaut nicht nur auf die Erfahrung der assyrischen Herrschaft zurück, sondern auch auf deren propagandistische Selbststilisierung, vergleiche W. Röllig, Assur – Geißel der Völker: Saeculum 37 (1986) 116-127. Damit fällt die Wahl zwischen den beiden Königen, die als Kind den Thron von Juda bestiegen, nicht schwer: Joschija oder Joasch (2 Könige 12,1). Im Gefolge A. Alts 8,23b.c zu 9,1-6 zu ziehen, ist allerdings nicht mehr möglich, seine Interpretation ist mit der Erkenntnis, daß es eine assyrische Provinz «Gilead» nicht gegeben hat, hinfällig; vergleiche N. Na’aman, Rezin of Damascus and the Land of Gilead: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 111 (1995) 105-117. Das Kehrversgedicht 9,7-20* behandelt (gegen Becker, Jesaja, 152f) nur die Geschichte Israels: in der ersten Strophe (7-12*) wird die Zeit Hasaëls thematisiert, in der zweiten (13*; 16c-f) das Jahr 733, in der dritten (17-20*) eine Dürrekatastrophe in der Provinz Samaria.

[33] C. Hardmeier, Prophetie im Streit vor dem Untergang (Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 187; 1990); Becker, Jesaja, 47-59 (nachexilisch muß Jesaja 7 darum aber nicht sein); 200-212. Ob ein Kern von 28-31 als «Sammlung 701» bereits das Archiv-Dokument «734» ergänzte, ist schwer zu sagen; der Tenor der antihiskijanischen Prophetien ist natürlich auch pro-assyrisch. Die Redaktionsgeschichte legt aber den Verdacht nahe, daß die Sammlung «701» eine eigene Geschichte gehabt hat, bis sie zwischen 597 und 586 zum Jesajabuch stieß.

[34] Man beachte, daß nach 5,7 bereits Israel und Juda schwer in Mitleidenschaft gezogen sein müssen, aber noch nicht Jerusalem. Das führt zu einer Datierung zwischen 597 und 586; vergleiche sonst Becker, Jesaja, 127-134.

[35] Mizpa, der zukünftige Regierungssitz bis 444 vor Christus, bleibt hier verschont; vergleiche O. Lipschitz, The History of the Benjamin Region under Babylonian Rule: Tel Aviv 26 (1999) 155-190, 165-170.

[36] Becker, Jesaja, 162-169 (3,14f ist allerdings eine erste Fortschreibung von 3,1-7*). Damit kann man den Grundbestand von Jesaja 40-48 nicht mehr als direkte Fortschreibung von 5-39* verstehen.

[37] Becker, Jesaja, 134-145; 169-175.

[38] Vergleiche zu 2,12: Jesaja 6,1; 52,13; 57,15; zu 2,15f: Jesaja 2,13; 10,34; 14,8; 33,9; 35,2; 37,24; 40,16; 60,13 60,9; 66,19. Im Horizont des Textes steht eine weisheitliche Theophanie (Ijob 40), Jesaja-Buch 2-66*, und besonders die Tyros-Orakel in Ezechiel und Jesaja. Der Text situiert sich kulturhistorisch in persisch-hellenistischer Zeit, als ganze Palästina das arme Hinterland (die «Wachthütte im Gurkenfeld») der prosperierenden phönizischen Küstenstädte war.

[39] Becker, Jesaja, 173f.

[40] So Becker, Jesaja, 175-199.

[41] Jotam in 1,1 stammt nicht aus Jesaja, sondern aus Könige. Weiterhin ist die Sprache spät, nur 1,19) und Ijob 39,9; Sirach 6,33 haben ’bh «(nicht) wollen» ohne l’. Das Sprachmaterial in 1,1-22 ist ein Mosaik aus Wendungen aller «Hinteren Propheten» mit besonderen Bezügen zum Deuteronomium, darin besonders Deuteronomium 32: die erste «Prophetenrede» setzt die letzte «Moserede» fort (die Bezüge können an dieser Stelle nicht im Einzelnen aufgeführt werden).

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Ernst Axel Knauf,

ist Teilzeitprofessor für Altes Testament und Biblische Archäologie in Bern (seit 1997) und Senior Staff Field Archaeologist in der Megiddo-Expedition (seit 1999). Letzte Buchveröffentlichungen: Die Umwelt des Alten Testaments (Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1994); mit U. Hübner ed., Leo Mildenberg: Vestigia Leonis. Studien zur antiken Numismatik Israels, Palästinas und der östlichen Mittelmeerwelt (Novum Testamentum et Orbis Antiquus NTOA, Universitätsverlag, Freiburg und Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998); mit U. Hübner und R. Wenning, Nach Petra und ins Königreich der Nabatäer. Notizen von Reisegefährten. Für Manfred Lindner zum 80. Geburtstag (Philo-Verlag, Bodenheim 1998).

© Ernst Axel Knauf 2000, lectio@theol.unibe.ch, ISSN 1661-3317

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