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02-2020

Beatrice Wyss Le suicide est l’arme des faibles. Selbsttötung und Gender in der hebräischen Bibel und im frühgriechischen Epos

Abstract:

In this article, I analyse two critical situations for women that potentially prompt women to commit suicide. Both situations are linked to the loss of integrity of body. The first situation is violation or in broader terms, extramarital sex, the second situation is in war, the siege and capture of a city. I compare texts of the Hebrew Bible with archaic Greek literature. I find characteristic differences in handling these topics between texts of the Hebrew Bible and archaic Greek literature.

  1. Extramarital sex: This is a problem in texts of the Hebrew Bible; if violence is involved as in the case of Dina (Genesis 34), the concubine of the Levite (Judges 19) or Tamar (2 Samuel 13,1–22), the outcome was devastating for all, for the wrongdoer, his victim, and the families and tribes of both. In archaic Greek literature we find some hints that extramarital sex was not in every case a social offence: We know of princesses of mythical times who were married and conceived a child of a God. An extraordinary case are Pitane and Euadne, mother and daughter, not married young women, who both became pregnant of a God. Euadne had some struggle to introduce her boy as a family member, finally, her son was ancestor of the well-known family of priests, the Iamids.
  2. War or siege and capture of a city: The Hebrew Bible seems to allow women in this extraordinary case to kill the aggressor (Judges 9,50–56; 4,17–21) or, even better, to negotiate with the aggressor (2 Samuel 20,14–22). Women in Greek archaic literature are condemned to passivity. Only later sources know of the woman poet Telesilla (5. C. BCE) who organized the defence of her hometown Argos successfully.

„Le suicide est l’arme des faibles,“ behauptet Marie Delcourt in ihrem Artikel „Le suicide par vengeance dans la Grèce Ancienne“.[1] Wenn Selbsttötung die Waffe der Schwachen ist und Frauen in patriarchalen oder kyriarchalen Gesellschaften zu den Schwachen gehören, sollten sich in der hebräischen Bibel Beispiele von Frauen finden, die freiwillig aus dem Leben scheiden. Diese gibt es aber nicht. Antworten,[2] alles Hypothesen, sollen im Kulturvergleich mit dem griechischen Mythos archaischer Zeit gegeben werden.
Im Folgenden stehen frauenspezifische Krisensituationen im Fokus,[3] die Selbsttötung begünstigen können. Voraussetzung und Tatsache ist, dass patriarchale oder kyriarchale Gesellschaften sexuelle Gewalt als Mittel zur Unterdrückung nutzten und nutzen, im Krieg und im Frieden. Entsprechend stellten und stellen Vergewaltigungen eine Bedrohung für Frauen und Mädchen dar.[4] Der Sachverhalt war den Verfassern des Deuteronomiums bekannt, wie folgendes Gesetz zeigt (Deuteronomium 22,25–26):

„Wenn aber der Mann das verlobte Mädchen auf dem Felde trifft und ihm Gewalt antut und bei ihm liegt, so soll der Mann, der bei ihm gelegen, allein sterben. 26 Dem Mädchen aber sollst du nichts tun; es hat keine Sünde begangen, die den Tod verdiente. Denn es ist gerade so, wie wenn einer seinen Nächsten überfällt und totschlägt. 27 Denn er traf es auf dem Felde, und wenn auch das verlobte Mädchen schrie, so war niemand, der ihm helfen konnte.“

Die Gesetzgeber gingen offenbar davon aus, dass junge Frauen, die Stadt und Haus verließen, ihre körperliche Unversehrtheit riskierten. Frauen waren außer Haus tätig, die Gefahr entsprechend groß: Rut arbeitete auf dem Feld (Rut 2), Rebecca holte Wasser (Genesis 24,11–20), Rahel hütete das Vieh des Vaters (Genesis 29,9), ebenso Zippora und ihre Schwestern (Exodus 2,16). Zwar exkulpiert das Gesetz die jungen Frauen, wenn das Vergehen auf offenem Feld begangen wurde, doch was geschah mit ihnen? Wie gingen sie mit der erlittenen Gewalt um, welche sozialen Auswirkungen hatte sie?
Besonders verbreitet war Vergewaltigung im Krieg, als Kriegsverbrechen im Rahmen von Eroberung und Plünderung von Städten.[5]Damit sind wir beim Thema: Vergewaltigung ist eine frauenspezifische Krisensituation, die Selbsttötung begünstigen konnte. Exemplarisch war im römischen Kulturkreis Lucretia, die den Tod einem Leben in Schande vorzog, populär wurde sie im 1. Jh. v.Chr. in der Fassung des Historikers Livius.[6] Lucretias Suizid nach einer erlittenen Vergewaltigung setzte Maßstäbe für die Römerinnen. Oder wie es in einem spätantiken Epitaph heißt:[7]

„Sieh diese Säule an, die von Tugend kündet, Wanderer. Denn es liegt die junge Frau Domitilla im Innern des Grabes, die den Kranz der Keuschheit gewann. Denn als einzige von all den jungen Frauen, die zur Schändung die Männer fortführen wollten, die vom Pontos der Zorn der Götter und das Schicksal herbeigeführt hatte, (als einzige von den jungen Frauen,) die damals durch Barbarenhände zugrunde gingen, fürchtete sie nicht den Tod, statt die schreckliche Schändung (zu erleiden). Nachdem sie nur sieben Monate ihren lieben Gatten erfreut hatte, verließ sie das Licht ihres Mädchenlebens mit vierzehn Jahren.“

Die Umstände des Suizids waren dramatisch: Invasoren verschleppten die Frauen, eine anomische Situation. Um den Aggressoren nicht in die Hände zu fallen, brachte sich Domitilla um. So gewann sie den „Kranz der Keuschheit“, soziale Anerkennung. Das Ideal der „keuschen“ Frau wurde vom Christentum übernommen[8] und prägte das Frauenbild bis ins 20. Jh. Trotz dieser langen Wirkungsmacht ist zu fragen, ob seine Gültigkeit auch in die Vergangenheit reicht. War außerehelicher Geschlechtsverkehr, einvernehmlich oder nicht, auch in der frühesten literarisch fassbaren Zeit ein Problem?[9] Wenn außerehelicher Geschlechtsverkehr ein Problem darstellte, weil er die herrschende patriarchale Ordnung störte, und wenn diese Aussage apriorisch gilt, dann sollten sich dafür auch Hinweise im frühgriechischen Epos und in der hebräischen Bibel finden. Ich spreche von außerehelichem Geschlechtsverkehr, weil in den Texten nicht die Zustimmung der Frau eine Rolle spielt, sondern die Frage, ob der Geschlechtsverkehr in einer Ehe stattfand oder nicht. Dieser Unterschied ist wichtig: Das Kriterium moderner Gesellschaften, das über die Akzeptanz eines Sexualkontaktes entscheidet, ist das gegenseitige Einverständnis der Beteiligten, das Kriterium in den hier behandelten vormodernen Gesellschaften ist hingegen die soziale Verankerung der Sexualität: Geschlechtsverkehr wird akzeptiert, wenn er in der Ehe stattfindet, wenn nicht, ist er problematisch.
Woran zeigt sich in einem erzählenden Text, dass ein Sachverhalt ein Problem darstellt? Zum einen, wenn der Sachverhalt explizit kritisiert oder negativ gewertet wird, sei es aus auktorialer Perspektive, sei es aus der erzählten Perspektive einer dargestellten Person, oder indirekt, wenn der Sachverhalt negative Auswirkungen auf die beteiligten Personen zeitigt. Explizite und implizite Wertung eines Sachverhaltes können sich widersprechen. Weil Texte nicht nur deskriptiv Sachverhalte abbilden, sondern implizit normativ sind, lassen sich aus ihnen implizite Handlungsanweisungen für Zielgruppen gewinnen. Indem wir diese impliziten Handlungsanweisungen explizit machen, verbleiben wir immer noch innerhalb des normativen Rahmens, den die Verfasser der Geschichten gesetzt haben; wir bleiben in der androzentrischen Sicht und Wertung der Ereignisse. Es ist Ziel der feministischen Exegese, diese androzentrische Sicht zu überwinden. Ehe dies geschieht, sollen aber die impliziten Wertungen und Handlungsanweisungen explizit gemacht werden.

1. Außerehelicher Geschlechtsverkehr: (k)ein Problem in hebräischer Bibel und frühgriechischem Epos

Außerehelicher Geschlechtsverkehr war ein Problem für die Verfasserkreise der hebräischen Bibel, weil er für den Täter und/oder weitere Beteiligte negative Folgen hatte. Die implizite Handlungsanweisung der Verfasser an ihre Leser (nur Männer sind hier gemeint) lautet: Die Frau eines anderen ist unbedingt tabu (Exodus 20,14; Deuteronomium 5,18). Nicht jeder Fall von außerehelichem Geschlechtsverkehr hatte in der hebräischen Bibel sofort katastrophale Folgen für alle Beteiligten. Lots Töchter wurden zu Stammmüttern von Edom und Moab (Genesis 19,30–38); mit diesen Völkern lagen Israel und Juda in ständigem Konflikt:[10] die Vereinigung von Vater und Töchtern hatte keine guten Folgen.[11] Bilha, Jakobs Nebenfrau, wurde von Ruben beschlafen (Genesis 35,22). Der Wille der Frau spielte keine Rolle, Ruben wurde enterbt (Genesis 49,3–4).[12] Tamar schlief mit ihrem Schwiegervater Juda und wurde schwanger (Genesis 38,1–24). Fast wäre die Sache für sie übel ausgegangen, denn Juda wollte sie als unehelich schwangere Frau verbrennen lassen (38,24).[13] Weil sie beweisen konnte, dass Juda der Vater der Ungeborenen war, blieb sie am Leben (38,25–26):[14] Ihr Schicksal zeigt, wie heikel eine außereheliche Schwangerschaft für eine Frau sein konnte. Batseba war mit Urija verheiratet, als David mit ihr schlief (2 Samuel 11,1–5). Urija kam auf Davids Betreiben ums Leben (6–25), das Kind, das aus diesem Ehebruch entstand, musste sterben (2 Samuel 11,26; 12,15–23). Im Ganzen der Thronfolgegeschichte markiert der Ehebruch Davids mit Batseba den Anfang vom Ende der Macht Davids.[15] Abschalom ging auf Geheiß Ahitofels zu den zehn Nebenfrauen seines Vaters David (2 Samuel 16,21–23, vgl. 15,16).[16] Später missriet Abschaloms Anschlag auf den König und er kam zu Tode (2 Samuel 18,9–15); die zehn Nebenfrauen kehrten unter Davids Obhut zurück, er verkehrte nicht mehr mit ihnen, sie blieben gleichsam zu Lebzeiten des Mannes Witwen (2 Samuel 20,3). Anders der Fall Rut:[17] Sie verbrachte eine Nacht mir Boas, ohne mit ihm verheiratet zu sein (Rut 3). Weil er sie kurz darauf heiratete (Rut 4,13), hatte die Tat keine negativen Konsequenzen.
Drei Frauen, die in der feministischen Exegese intensiv diskutiert werden,[18] erlitten nach unserem heutigen Verständnis eine Vergewaltigung: Dina (Genesis 34), die Nebenfrau des Leviten (Richter 19) und Tamar (2 Samuel 13,1–22). Ich werde im Folgenden die Episoden durchgehen im Hinblick auf implizite Handlungsanweisungen, die in narrativer Form gegeben werden. Jede dieser Episoden erzählt Frauen etwas anderes als Männern. Innerhalb der Männergruppe gibt es zudem verschiedene Adressatenkreise: Täter, Angehörige und weitere Beteiligte.[19]
1. Dina, die ausgeht, um die Töchter des Landes kennen zu lernen (Genesis 34,1), handelt eigenmächtig und wird von den Ereignissen bestraft. Sie erleidet Gewalt (34,2) und bleibt unverheiratet im Haus ihres Vaters (Genesis 46,15). Die fehlende Heirat und damit fehlende Kinder sind aus patriarchaler und androzentrischer Sicht als Strafe für Dinas eigenmächtige Handlung zu sehen. Der Text bestraft die Frau mit Kinder- und Ehelosigkeit, er verurteilt sie aber nicht zum Tode. Der außereheliche Geschlechtsverkehr ruiniert Dinas soziale Position, verunmöglicht aber nicht ein Weiterleben in der Familie.[20] Sichem vergreift sich an Dina; anschließend will er sie heiraten (Genesis 34,1–4). Dieses Verhalten ist gesetzeskonform (Exodus 21,16-17; Deuteronomium 22,28–29). Er ist bereit, einen extravaganten Brautpreis zu bezahlen (Genesis 34,13–16). Dinas Brüder bringen Sichem um und holen die Schwester zurück (26). Der Täter bezahlt seine Untat mit dem Leben. Sichems Vater Hamor und die Männer des Volkes kommen im Racheexzess ebenfalls ums Leben (25–26); die Frauen und Kinder werden entführt, die Stadt geplündert, das Vieh geraubt (27–29). Die schlimme Tat Sichems wirkt sich katastrophal auf seine Mitbürger und Mitbürgerinnen aus. Unschuldige verlieren ihr Leben, erleiden Entführung und Sklaverei. Die Tat Simeons und Levis hat Folgen für ihre eigene Familie: Die Jakobssippe kann nicht mehr vor Ort bleiben und muss weiterziehen (30; 35,1). Die Rächer Simeon und Levi erhalten Fluch statt Segen, werden später enterbt und ihre Nachkommen leben in der Diaspora (Genesis 49,5–7).[21] Der Racheexzess Simeons und Levis, obgleich er konform ist mit gewissen Gesetzen (Exodus 34,12–16; Deuteronomium 7,1–4), hat Auswirkungen nicht nur auf die Täter, sondern auf ihre ganze Nachkommenschaft. Die Gewalt Sichems an Dina hat nicht nur für die Frau und den Täter schwere Auswirkungen, sondern für das ganze Gemeinwesen Sichems und auch für die Rächer. Eine Gewalttat generiert zahlreiche weitere Gewalttaten auch an Unbeteiligten und Unschuldigen.
2. Die Nebenfrau des Leviten, die ihren Gatten verlassen hat und von ihm zurückgeholt wird, erleidet einen qualvollen Tod (Richter 19,1–29).[22] Sollen wir die Geschichte so verstehen, dass eine Frau unbedingt bei ihrem Mann bleiben muss, egal wie dieser sich verhält, weil sie sonst das Schlimmste erleidet, was sich eine Frau vorstellen kann: Massenvergewaltigung mit Todesfolge? Oder geht es hier nicht um ein privates Eheproblem, sondern um ein fundamentales sozio-politisches Problem, nämlich das Fehlen einer Rechtsordnung, eines stabilen Staatswesens, wie es nur ein Monarch garantieren kann (Richter 19,1 und 21,25)? Meines Erachtens legt der doppelte Hinweis auf das Fehlen eines Königs eine sozio-politische Lesart nahe, zumindest in der Endfassung, in der uns dieser Text überliefert wird.[23] Der Autor zieht alle erzählerischen Register, um das Finale des Richterbuches so blutig und entsetzlich wie möglich zu schildern, ein Meisterstück schwarzer Erzählkunst.[24] Nicht nur die Frau, sondern auch ihre Peiniger kommen im anschließenden Gewaltexzess zu Tode, aber nicht nur die Peiniger, sondern alle Stammesgenossen (Richter 20,46), überhaupt alle Menschen, Frauen ausdrücklich einbezogen (21,16), alles Vieh wird getötet, die Städte werden gebrandschatzt (20,48). Sechshundert Benjaminiten überleben (20,47). Deren Überleben wiederum führt zu Frauenraub, also Massenvergewaltigung von Frauen (21,16–21). Das grauenhafte Verbrechen an der namenlosen Nebenfrau führt zur Vernichtung fast eines ganzen Stammes. Der Bericht schließt mit der lapidaren Bemerkung (Richter 21,25, s. 19,1): „Zu jener Zeit gab es noch keinen König in Israel; ein jeder tat, was ihn recht dünkte.“ Die Darstellungsabsicht ist deutlich: Verbrechen und daraus folgende Gewaltexzesse finden in königslosen Gesellschaften statt. Und der Levit? Der Mann, der einem brutalen Mob die eigene Frau ausliefert, wird offenbar von den weiteren Ereignissen nicht bestraft. Der androzentrische und königsfreundliche Zug ist in dieser Geschichte offensichtlich: Nicht nur verurteilt der Verfasser die namenlose Frau zum schlimmsten Tod,[25] der Tod der Frau ist Ersatz für die drohende Vergewaltigung des Mannes. Nicht der Mann wird vergewaltigt, sondern die Frau. Der Levit, der in der Geschichte ein zweifelhaftes Bild abgibt,[26] setzt sich durch, er erhält, was er will (Rache) und erleidet keinen körperlichen Schaden. Diese „Moral von der Geschichte“ dürfte auch in androzentrischer Sicht nicht akzeptabel sein, sondern soll narrativ die Schlussthese belegen, dass Derartiges nur möglich war, weil es keinen König gab (Richter 21,25).
Die Königspropaganda zieht hier alle Register narrativer Kunst. Der Verfasser schildert einen anomischen Zustand, schlimmer als zu Zeiten Sodoms und Gomorrhas (Genesis 19,4–9; Richter 19,22–24). Nebenfrauen machen sich selbstständig (19,2) und werden grauenhaft gestraft (19,25–29), Männer fressen und saufen tagelang (19,4–6), Männer setzen auf sexuelle Gewalt gegen Männer (19,22), begehen Gruppenvergewaltigung (19,25), Leichenschändung (19,29), miese Leviten setzen sich durch, es kommt zur Ausrottung fast eines ganzen Stammes (20,29–48; 21,8–13) und zu Vergewaltigungen weiterer Frauen (21,14.20–23). Ohne König soll also ein Übermaß an Fehlverhalten, Gewalt, Niedertracht und Tod herrschen? Dies ist jedenfalls die implizite Botschaft von Richter 19–21 in der Endredaktion. Mit der Eskalation von Gewalt endet das Richterbuch. Glauben wir, dass Monarchie Friede, Ruhe und Ordnung bringt? Eine Antwort auf diese Frage finden wir gleich anschließend, in den Samuel- und Königsbüchern, beispielsweise in der Geschichte von Tamar.
3. Tamar handelt auf Anweisung ihres Vaters (2 Samuel 13,7–8),[27] sie wehrt sich gegen das Ansinnen ihres Halbbruders klug verbal (12–13.16) und kommt grausam zu Schaden (14.17–20).[28] Tamars Verhalten widerspricht der Annahme in Deuteronomium (22,23–24), dass Frauen, die in der Stadt außerehelichen Geschlechtsverkehr hatten, immer in das Geschehen einwilligen und deshalb als Ehebrecherinnen mit dem Tod zu bestrafen seien. Aus Frauensicht ist Tamars Fall beelendend: Eine Frau macht alles richtig und verliert alles.[29] Die Nachricht, dass Abschaloms Tochter Tamar heißt (14,27) wie die Tante und schön ist wie diese, kann man positiv interpretieren: Tamar erhielt in der Person ihrer Nichte gleichsam eine zweite Chance, ein neues Leben. Oder negativ: Die Geschichte wird sich wiederholen.[30] Der Täter Amnon kommt zu Tode (13,27–32).[31] Der Rächer Abschalom kommt später ebenfalls ums Leben (18,9–15). David, der König und Vater, der seine Familie nicht im Griff hat, verliert drei Kinder. Die Gewalt an Tamar erschüttert das Haus Davids nachhaltig.[32]
Außerehelicher Geschlechtsverkehr hat in der hebräischen Bibel negative Auswirkungen auf alle Beteiligten; ist Gewalt im Spiel, sind die Auswirkungen besonders schwerwiegend.[33] Narrativ sanktionieren die Verfasser die Ehe als einzige sozial anerkannte Institution, die Geschlechtsverkehr erlaubt. Die Geschichten variieren das Thema der schweren Folgen unerlaubten Verkehrs, der nur in Ausnahmefällen (Tamar in Genesis 38, Rut) toleriert wird. Man könnte diese Geschichten als Variationen zum siebten Gebot lesen (Exodus 20,14; Deuteronomium 5,18) „Du sollst nicht ehebrechen“.

Anders handhabt das frühgriechische Epos außerehelichen Geschlechtsverkehr der Prinzessinnen. Das Epos gibt kaum Einblicke in das Leben einfacher Frauen und Mädchen; die Sklavinnen, Bäuerinnen, Handwerkerinnen, die es damals gab, sind kein Thema des Epos. Einzig Ammen sind wichtig (Odysseus’ Amme Eurykleia).[34] Das Epos konzentriert sich auf die Königstöchter, Prinzessinnen, Fürstinnen, auf die Frauen der Oberschicht. Und diese Frauen scheinen unter bestimmten Umständen eine außereheliche Schwangerschaft ohne Rufschaden erlebt zu haben. In der sogenannten Nekyia (Totenschau) im 11. Buch der Odyssee trifft Odysseus die Seelen von vier Frauen, die zwar mit einem Mann verheiratet waren, aber von einem Gott Söhne gebaren:[35] Tyro (235–259), Antiope (260–265), Alkmene (266–268) und Iphimedeia (305–320). Dies erzählt der Dichter ohne Tadel.[36] Die Söhne waren Helden, nur im Falle der Iphimedeia waren es heikle Helden: Otos und Ephialtes waren berühmt-berüchtigt wegen ihres Angriffs auf die Götter.
Ein weiteres Beispiel für eine ursprünglich weniger rigide Sexualmoral im griechischen Kulturkreis waren die Kinder des Aiolos (Odyssee 10,1–12): Sie lebten paarweise in Geschwisterehe (ein Vorgehen, das die hebräische Bibel im Fall von Sara und Abraham kennt und legitimiert, Genesis 20,12).

„Dort wohnte Aiolos, des Hippotes Sohn, ein Freund den unsterblichen Göttern, auf einer schwimmenden Insel. Ganz um sie herum ist eine Mauer, eine eherne, unzerbrechliche, und springt glatt der Fels auf. Ihm waren auch zwölf Kinder in den Hallen geboren worden: sechs Töchter und sechs Söhne, die standen in Jugendreife. Da gab er die Töchter den Söhnen, dass sie ihnen Lagergenossinnen wären. Die aber speisen immer bei ihrem Vater und der sorgsamen Mutter, und ihnen stehen zehntausend Speisen bereit, und erfüllt von Fettdampf erschallt das Haus rings von Flötenspiel die Tage über; die Nächte aber ruhen sie bei ihren ehrsamen Gattinnen in Decken und gurtdurchzogenen Betten.“[37]

Zwar ist uns die Sprache fremd, aber verweilen wir kurz bei dieser Schilderung: Odysseus beschreibt die Insel des Aiolos, eine schwimmende Insel wie in einem Märchen.[38] Ganz unzugänglich ist diese Insel, abgeschlossen die Familie. So ziehen die Söhne nicht weg, sondern bleiben, und heiraten ihre Schwestern. Fruchtbarkeit und gutes Leben mit Speisen und Musik gab es dort. Die Gattinnen waren „ehrsam“.
Erst Euripides (5. Jh. v.Chr.) problematisiert in der Tragödie Aiolos die Geschwisterliebe, die Kanake und Makareus miteinander verband. Der Vater Aiolos erfährt davon und lässt Kanake ein Schwert überbringen. Er verurteilt die Tochter zur Selbsttötung, nicht den Sohn.[39]
Pindar (etwa 522/518 – 442/438 v.Chr.) scheint außereheliche Schwangerschaften von Prinzessinnen eher zu problematisieren: Otos und Ephialtes waren in seiner Sicht die Söhne der Iphimedeia. Die Kennzeichnung der Söhne mit dem Matronymikon ist im griechischen Kulturkreis ebenso außergewöhnlich wie im israelitischen (Pindar, Pythische Ode 4,89).[40] Ob hier Kritik des Dichters am Verhalten der Frau vorliegt oder Zweifel des Dichters, dass Angreifer der Götter Söhne eines Gottes sein sollen, ist kaum zu entscheiden. Deutlich ist Pindars Ambivalenz bezüglich außerehelicher Schwangerschaften im Fall von Pitane und Euadne. Pindar besingt in der 6. Olympischen Ode Pitane und Euadne, die Ahnmütter der Iamiden, eine Familie von Priestern (Pindar Olympische Ode 6,28–77).[41] Anlass ist der Sieg des Iamiden Hagesias in Olympia (6,77). Pitane wurde, so wird erzählt, von Poseidon schwanger, verbarg die „Mädchenschwangerschaft“ unter Gewändern,[42] gebar ein Mädchen, Euadne, und ließ sie von Pflegeeltern großziehen. Verbergen der Schwangerschaft und Weggeben des Säuglings zu Pflegeeltern ist nur nötig, wenn eine außereheliche Schwangerschaft auch für eine Prinzessin nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Euadne mit violett-schwarzen Haaren oder Veilchenkränzen[43] gefiel dem Gott Apoll, der mit ihr schlief. Ihr gelang es nicht, die Schwangerschaft zu verbergen. Aus Angst vor dem zornigen Pflegevater gebar sie allein in der Wildnis einen Sohn, den sie voll Schmerz liegen ließ, ihn also aussetzte. Der Neugeborene starb nicht, denn zwei ungiftige Schlangen kümmerten sich um ihn und fütterten ihn mit Honig.[44] Diese kritische Situation ging für Mutter und Kind gut aus, weil der göttliche Vater zum Kind stand. Euadnes Pflegevater ersuchte das Apollonorakel in Delphi um Rat wegen der Schwangerschaft seiner Pflegetochter; da klärte der Gott ihn auf. Euadne benannte den Sohn Iamos nach den Veilchen, die um ihn herum blühten (ion, Plural ia = Veilchen); mit dem Akt der Benennung wurde Iamos zugleich offizielles Mitglied der Familie. Vielleicht war das Problem dieser Frauen, aus Sicht des Dichters, dass Pitane und Euadne nicht verheiratet waren, es also keinen sozialen Vater für das Kind gab. Euadne schien den Sohn allein großgezogen zu haben, von einer späteren Ehe und weiteren Mutterschaften erfahren wir nichts. Sicher ist indes auch, dass die Familiensage der angesehenen Familie der Iamiden mit zwei unehelich schwanger gewordenen jungen Frauen begann, die beide erfolgreich glaubhaft machen konnten, dass das Kind von einem Gott stammte. Spätere Generationen entfernten die uneheliche Herkunft der Ahnin und des Ahnen nicht aus dem Stammbaum. Weil die Familie der Iamiden bis in Pindars Zeit hohes Ansehen genoss, sagt das vielleicht auch etwas über die Moralvorstellungen zu Pindars Zeit aus: Diese unehelichen Schwangerschaften von jungen Frauen waren kritisch, wurden aber letztlich sozial akzeptiert.

2. Belagerung und Eroberung von Städten als frauenspezifische Krisensituation

Die zweite Krisensituation ist die Belagerung und drohende Eroberung der Stadt.[45] Auf dieses Problem hat Ludwig Wächter mit Nachdruck aufmerksam gemacht (1967: 95–96):

„Die augenfälligste Kränkung der Ehre, wenigstens nach unserem Verständnis, ist die Schändung. Ihr war bei den in der gesamten Antike üblichen Gepflogenheiten bei einer Niederlage im Krieg, namentlich der Eroberung der Stadt, jede Frau ausgesetzt. So nahm man im rabbinischen Judentum von jeder Frau und jedem Mädchen, die in Kriegsgefangenschaft geraten waren, an, dass sie geschändet worden waren, was erhebliche gesellschaftliche Konsequenzen hatte. Auch im alten Israel muss es Schändungen und Entehrungen in großer Zahl gegeben haben; denn die Geschichte Israels ist voll von Niederlagen im Krieg, Eroberungen von Städten und Fortführungen in die Gefangenschaft. Im Alten Testament sind auch Schändungen größeren Umfanges bezeugt, am deutlichsten in Sacharja 14,2 und Jesaja 13,16. Und doch steht nirgends im Alten Testament etwas über den Selbstmord einer Frau! Anders bei den Griechen! Schändung oder die Gefahr der Schändung führte bei ihnen recht häufig zum Selbstmord.“

Wächters Aussage ist dahingehend zu ergänzen, dass Vergewaltigung von Frauen nicht nur in der Antike, sondern bis in die Gegenwart eine menschenverachtende Taktik der Kriegsführung ist. Frauen wussten, dass sie bei der Eroberung der Stadt alles verlieren: den Ehemann, der getötet wurde, die Kinder, die in die Sklaverei verkauft wurden, sie selber (und ihre Töchter) erlitten Gewalt und Sklaverei. Eindrücklich und radikal aus Frauensicht setzte Euripides in der Tragödie Troades (Troianerinnen) Eroberung und Plünderung einer Stadt in Szene. Den Chor bilden die Einwohnerinnen Troias, die Männer, Väter, Brüder und Söhne verlieren und in die Sklaverei verschleppt werden. Sklaverei hieß auch, dass der Besitzer über den Körper der Sklavinnen verfügte. Das Grauen des Sieges in den Augen Besiegter exemplifiziert Euripides im Schicksal der weiblichen Hauptpersonen. Die entmachtete Königin Hekabe verliert Tochter und Enkel, wird von ihrer Schwiegertochter getrennt und als letzte Schmach kommt sie als Kriegsbeute in Odysseus’ Gewalt, durch dessen List Troia erobert wurde. Ihre Schwiegertochter Andromache, Witwe Hektors, verliert den gemeinsamen Sohn Astyanax. Odysseus stößt ihn von der Stadtmauer; anschließend wird Andromache in die Sklaverei verschleppt; Hekabes Tochter Polyxena wird Achilles geopfert, Achilles hat zuvor Hektor im Zweikampf getötet, Hekabes Sohn.
In der hebräischen Literatur singen die Klagelieder das Leid der eroberten Stadt: die Kinder sind gefangen (1,5.18), gefallen (2,21) oder an einer Seuche gestorben (1,20), die Überlebenden leiden Hunger (1,11; 4,4), die Kinder verhungern an den Brüsten der Mütter (2,11–12), Frauen kochen ihre eigenen Kinder aus Hunger (4,10; vgl. 2,20).[46] Nicht thematisiert wird hingegen Selbsttötung, weder von Frauen noch von Männern.
Die Motivation, die Stadt – und die eigene körperliche Integrität und die der Töchter und das Leben aller Familienmitglieder zu schützen, war bei Frauen wohl besonders groß. Vor diesem Hintergrund hat es vielleicht eine tiefere Bedeutung, dass nach der Erzählung im Richterbuch (9,53) eine Frau Abimelech erschlägt. Mit einem präzisen Wurf eines Mühlsteins zertrümmert sie dem Belagerer den Schädel, die Stadt Tebez wird nicht erobert, der Krieg ist zu Ende. Sie, ihre Familie und ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger sind gerettet; Abimelech wird zum Gespött (2 Samuel 11,12).
Während Debora mit Barak gegen den König der Kananäer Krieg führt (Richter 4,4–16), erschlägt Jaël mit einem Zeltpflock den Feldherrn Sisera (17–22). Der Verlust des Feldherrn leitet die Niederlage und Vernichtung des Königs der Kananäer ein (23–24). Debora singt ein Loblied auf Jaël (5,24–31). Zwei Frauen, Debora und Jaël, beenden eine Phase des Krieges der Kananäer gegen Israel. Später besiegt Judit im Alleingang den feindlichen Feldherrn Holofernes (Judit 13,7–8).[47]
Bei der Belagerung von Abel-Bet-Maacha tritt eine Frau dem General Joab entgegen und spricht ihn an. Diese Frau gilt als weise (2 Samuel 20,16–22).[48] Dank des Mutes und des Verhandlungsgeschicks der Frau, und weil Joab erhält, was er verlangt, den Kopf eines Aufständischen, zieht der General wieder ab. Die Stadt bleibt unversehrt, die Bürgerinnen und Bürger heil. Diese weise Frau rettet ihr Gemeinwesen und ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger vor Zerstörung, Plünderung und Tod.
Die erwähnten Frauen wehrten sich, ihre Taten wurden erzählt und fanden Eingang in die kollektive Erinnerung. Jaël und Judit wurden ausdrücklich gelobt und die namenlose Frau in Abel-Bet-Maacha galt als weise. Ich möchte diese Geschichten als implizite Verhaltensanweisungen für Frauen lesen: In Krisensituationen, und nur dann, wenn alles auf dem Spiel steht, ist Frauen zu töten erlaubt, das Töten gilt als Notwehr zur Bewahrung des Gemeinwesens (eine Modifikation von Exodus 20,13; Deuteronomium 5,17). Liest man die Geschichten innerhalb des Kanons der Reihe nach, so lässt sich die Belagerung von Abel-Bet-Maacha als Replik auf die Belagerung von Tebez (Richter 9) lesen. Die Stadt wurde belagert, der Feldherr trat nahe an die Stadtmauer, doch während in Tebez eine Frau kommentarlos den Mühlstein warf und traf, sprach in Abel-Bet-Maacha eine Frau den Feldherrn an. Dieser Konflikt ließ sich diplomatisch lösen, die Frau, ebenfalls namenlos, gilt als weise, eine Auszeichnung, die der Frau in Tebez nicht zuteil wird.

Im frühgriechischen Epos treffen wir zwar während der Belagerung Frauen auf der Stadtmauer an (z. B. Ilias 3,121–244),[49] sie greifen indes nicht aktiv in das Geschehen ein. Es gab auch keine Jaël oder Judit in Griechenland. Zwar kennt das frühgriechische Epos Penthesilea,[50] die Amazone, die zuerst erfolgreich gegen Achilles kämpft, ihm aber schließlich unterliegt. Eine Frau, die im Kampf Männer tötet und am Leben bleibt, war offenbar undenkbar im griechischen Kulturkreis.
Mir ist nur ein Beispiel aus der griechischen Kultur bekannt, das ein ähnliches Verhalten einer Frau zeigt, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied. Es handelt sich um die Dichterin Telesilla aus Argos, die um 550 v.Chr. aktiv war. Als die Stadt Argos von den Spartanern unter Kleomenes belagert wird und im langwierigen Kampf bereits die meisten wehrfähigen Männer ums Leben gekommen sind, habe Telesilla alle Einwohner zur Verteidigung auf die Stadtmauern beordert und die kräftigsten Frauen bewaffnet. Als die Spartaner anrücken und die bewaffneten Frauen sehen, ziehen sie kampflos ab, einerseits, weil sie denken, dass es keinen Ruhm bringt, Frauen zu erobern, andererseits weil sie fürchten zusätzlich zur Niederlage noch Schmach zu erleiden, wenn der Angriff misslingt. Sowohl in Griechenland als auch im alten Israel (Richter 9,54) ist eine Niederlage von der Hand einer Frau für einen Mann besonders schändlich.
Die Anekdote hat einen Schönheitsfehler: Erst Plutarch aus Chaironeia (1. –2. Jh. n.Chr., Mulierum virtutes Mor. 245c–f) und Pausanias (2. Jhd., 2,20,8–10) erzählen sie. Herodot, der in den 530er Jahren eine Geschichte Griechenlands herausgab, berichtet von Kleomenes’ Angriff auf Argos, erwähnt aber Telesilla nicht (6.77.2). Ist die beherzte Dichterin-Kämpferin eine Erfindung späterer Zeit oder verschweigt Herodot sie? Wir wissen es nicht. Der Unterschied zu den Stadtverteidigerinnen der Bibel liegt auf der Hand: diese Frauen töteten den Mann, und die Tat gereichte ihnen zum Lob. Telesilla und ihre Mitstreiterinnen veranlassten den Mann zum Rückzug.

3. Schluss

„Le suicide est l‘arme des faibles,“ behauptete Marie Delcourt. Die wehrhaften und diplomatisch aktiven Frauen der hebräischen Bibel, ob sie einen Namen haben oder nicht, sind nicht schwach und brauchen sich nicht umzubringen. Sie wehren sich, haben Erfolg und genießen soziale Anerkennung. Frauen dürfen ihr Geschick und das ihrer Gemeinschaft in die eigenen Hände nehmen und den Aggressor eigenhändig oder diplomatisch beseitigen. Anders sieht es für die Frauen im frühgriechischen Epos aus. Die Verfasser verurteilen sie in Kriegswirren zur Passivität.
Schwieriger sind Dina und die namenlose Nebenfrau des Leviten. Wollen wir die zu Grunde liegende ethnozentrische Propaganda, die Dina für ihre Initiative, die fremden Frauen kennen zu lernen, narrativ abstraft, wirklich befolgen? Könnte nicht Dina, die junge Frau, die friedlich und offen auf fremde Frauen zugeht, ein Beispiel in unserer heutigen Zeit sein, in der wir mit zahlreichen fremden Zuwanderinnen und Zuwanderern konfrontiert sind? Ein Beispiel für Offenheit statt Einigelung.
Die monarchistische Propaganda zog im Fall von Richter 19–21 alle Register des erzählerischen Grauens. Die unausgesprochene Anweisung, dass eine Frau unter allen Umständen bei ihrem Mann bleiben muss, soll nur für dysfunktionale Gesellschaften wie die beschriebene gelten.
Tamar, die sich klug verhält und dabei zu Schaden kommt, ist der traurigste Fall. Im Ablauf des Kanons lässt sich die Tamar-Geschichte auch als eine Replik auf Dina (Genesis 34) und die namenlose Nebenfrau des Leviten (Richter 19) lesen. Während Dina und die Nebenfrau sich in androzentrischer Sicht falsch verhielten und deshalb narrativ mit Vergewaltigung bestraft wurden, machte Tamar alles richtig und erlitt doch dasselbe. Die Botschaft lautet: Vergewaltigung trifft auch anständige Frauen, die keine Fehler machen. Diese Botschaft stimmt, sie korrigiert die etwas einfachen Tun-Ergehen-Geschichten in Genesis 34 und Richter 19 und ist in ihrem Realismus beelendend.[51]
Keine dieser Frauen wird zur Selbsttötung verurteilt, eine stirbt, zwei verschwinden aus der Geschichte. Ist das gut? Aus Frauensicht ist es zu begrüßen, dass Frauen sich nicht umbringen müssen. Die erlittene Demütigung treibt die Frauen nicht aus dem Leben, sie behalten einen Platz in der Gesellschaft und bleiben im Familienverbund. Dass sie schweigend dulden, ist zu bedauern. Gerne hätte ich Dinas Sicht der Ereignisse gelesen: war sie froh, als die Brüder sie zurückholten? Und Tamar? Die kluge Frau hätte wohl eine besonnene und klare Einschätzung der Ereignisse gegeben.
Und die Prinzessinnen des frühgriechischen Epos, die von Göttern Kinder empfingen? Diese Geschichten sind aus christlicher Sicht besonders spannend im Hinblick auf Maria aus Nazaret, die auch von einem Gott einen Sohn gebar…


Mehrfach zitierte Literatur

Zsolt Adorjáni, Pindars sechste olympische Siegesode. Text, Einleitung und Kommentar, Leiden/Boston 2014

Alice Bach, Rereading the Body Politic: Women, Violence and Judges 21, in Athalya Brenner (Hg.), Judges. A Feminist Companion to the Bible, Sheffield 1999, 143–159

Georg Doblhofer, Vergewaltigung in der Antike, Stuttgart/Leipzig 1994

Jan Dietrich, Der Tod von eigener Hand, Tübingen 2017

Walter Dietrich, Seitenblicke. Literarische und historische Studien zu Nebenfiguren im zweiten Samuelbuch, Fribourg/Göttingen 2011, 293–313

Walter Dietrich, Die Samuelbücher im deuteronomistischen Geschichtswerk, Stuttgart 2012

J. Cheryl Exum, Was sagt das Richterbuch den Frauen? (Stuttgarter Bibelstudien 169), Stuttgart 1997

Irmtraut Fischer, Gottesstreiterinnen. Biblische Erzählungen über die Anfänge Israels, 32006 (1. Auflage 1995)

Ernst Axel Knauf, Richter (Zürcher Bibelkommentar), Zürich 2016

Ilse Müllner, Gewalt im Hause Davids. Die Erzählung von Tamar und Amnon (2 Sam 13,1–22), Freiburg 1997

Ilse Müllner, Lethal Differences: Sexual Violence as Violence against Others in Judges 19, in: Athalya Brenner (Hg.), Judges. A Feminist Companion to the Bible, Sheffield 1999, 126–142

Phyllis Trible, Texts of Terror, Philadelphia 1984

Anton J.L. van Hooff, From Autothanasia to Suicide. Self-Killing in Classical Antiquity, London/New York 1990

Anton J.L. van Hooff, Female Suicide Between Ancient Fiction and Fact, Laverna. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der alten Welt 3 (1992) 142–172.

Ludwig Wächter, Der Tod im Alten Testament, Stuttgart 1967

[1] Marie Delcourt, Le suicide par vengeance dans la Grèce ancienne, in: Revue de l’histoire des religions 119 (1989) 154–171, Zitat 155. Das Zitat geht weiter: „Celui qui subit une injure et qui n’a aucun espoir d’obtenir justice par les méthodes habituelles se tue et délègue les très puissantes Imprécations des morts.“Die Autorin versucht, zahlreiche in der Literatur bezeugte Fälle von Selbsttötung unter die Rubrik „Selbstmord als Rache“ zu subsumieren, darunter den sehr bekannten Selbstmord des Aias. Das Konzept des „Selbstmords als Rache“ entnimmt sie der Ethnologie (154). Weil sie Personen, die nur aus der Literatur bekannt sind, psychologische Motive unterstellt, die sie nicht mit Textstellen belegt, scheint mir das Vorgehen wenig überzeugend.

[2] Gender spielt als Kategorie keine Rolle bei Dietrich 2017; Wächter 1967, 96–97 geht darauf ein; von der Autorin erscheint in absehbarer Zeit ein Aufsatz „Es gibt keine Lucretia im Alten Israel. Überlegungen zum Thema Selbsttötung und Geschlecht in der hebräischen Bibel.“

[3] Es gibt als Form sexualisierter Gewalt auch die Vergewaltigung von Männern durch Männer; diese Art der Gewalt bleibt im Folgenden unberücksichtigt. Der Grund liegt darin, dass seit dem Balkankrieg in den 1990-er Jahren bis zu den Massenvergewaltigungen von Jesidinnen im Irak unter der Gewaltherrschaft des IS die grausame Kriegstaktik der Vergewaltigung von Frauen im Blickpunkt der Medien steht. Diese Kriegstaktik ist alt und findet sich sowohl im frühgriechischen Epos als auch in der hebräischen Bibel.

[4] Begriff und Konzept „Vergewaltigung“ sind modern. Der soziale Rahmen entschied darüber, ob Geschlechtsverkehr erlaubt oder unerlaubt war, die Einwilligung der Frau spielte kaum eine Rolle (Doblhofer 1994: 1–16; Müllner 1997: 260–270, Ausnahme Deuteronomium 22,25–26); lesenswert sind Müllners Aussagen zum Zusammenhang von sexueller Gewalt und patriarchaler Gesellschaft (335–384). Doblhofer 1994: 64–79 zu den schlimmen Folgen einer Vergewaltigung für die betroffene Frau.

[5] Wächter 1967: 95–96; Van Hooff 1990: 22–26.116–118; 1992: 156.

[6] Livius 1,57,6–58,12; Robert Maxwell Ogilvie, A Commentary on Livy Books 1–5, Oxford 1965, 218–232; Doblhofer 1994: 9–17; Eleanor Glendinning, Reinventing Lucretia: Rape, Suicide and Redemption from Classical Antiquity to the Medieval Era, International Journal of the Classical Tradition 20 (2013) 61–82; Catharine Edwards, Death in Ancient Rome, New Haven / London 2007, 180–188; Dagmar Hofmann, Suizid in der Spätantike. Seine Bewertung in der lateinischen Literatur, Stuttgart 2007, 105–116. Zum weiteren Hintergrund: Christiane Krause, Patria Potestas – Honour – Shame? Tote Töchter im Kapitel „De pudicitia“ des Valerius Maximus, in: Ute E. Eisen, Christine Gerber, Angela Standhartinger (Hg.), Doing Gender – Doing Religion, Tübingen 2013, 251–272.

[7] Van Hooff 1990: 24; Epitaph (Grabinschrift, auf einer Grabstele eingraviert) der 14-jährigen Domitilla, die angesichts einer Goteninvasion in ihre Heimatstadt 262/3 Suizid wählte. Griechischer Text und Übersetzung: Wolfgang Dieter Lebek, Das Grabepigramm auf Domitilla, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 59 (1985) 7–8.

[8] Timothy Hill, Ambitiosa Mors. Suicide and the Self in Roman Thought and Literature, New York 2004, 183–212; Catharine Edwards, Death in Ancient Rome, New Haven / London 2007, 179–206; Arthur J. Droge, James D. Tabor: A Noble Death. Suicide and Martyrdom Among Christians and Jews in Antiquity, San Francisco 1992.

[9] Laut Van Hooff gibt es eine Häufung von Frauensuiziden im Mythos, weil der Mythos die problematischen Aspekte der Existenz von Frauen verhandle (1990: 21); andernorts (Iokaste erhängte sich, Isebel sprang nicht aus dem Fenster) werde ich zeigen, dass es keine Spitze von Frauensuiziden im frühgriechischen Epos gibt (7.–6. Jh. v.Chr.); erst in der Tragödie klassischer Zeit (2. Hälfte 5. Jh. v.Chr.) nutzten Sophokles und Euripides das dramatische Potenzial des Suizids und schrieben Selbsttötungen in den Mythos ein; im Mythenkompendium des Hyginus findet sich schließlich eine Liste mit 25 Suizidantinnen (Fabulae 243 Quae se ipsae interfecerunt – Frauen, die sich selbst töteten). Hyginus war im letzten Drittel des 1. Jh. v.Chr. aktiv (Jean-Yves Boriaud, Hygin. Fables, Paris 1997, VII–XIII). In seiner Lebenszeit (Übergang von der Republik zum Prinzipat mit Bürgerkriegen) gab es eine Häufung von Suiziden in der Oberschicht (Van Hooff 1990:12.14).

[10] Konflikt mit Moab z.B. Numeri 21,27–30; 22–24; Richter 3,12–30. Ulrich Hübner, Klaus Köhnen, „Moab“ (erstellt Mai 2008) Wibilex https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/27925/.

[11] Genesis 19,30–38 geht die Initiative zum Beischlaf mit dem Vater von den Töchtern aus; in der Realität sind es die Väter, die Töchter missbrauchen. Im griechisch-römischen Kulturkreis ist Vater-Tochter-Inzest ebenfalls ein Thema, z.B. Coronis (Ovid, Metamorphosen 2,589–595) und Myrrha (Ovid, Metamorphosen 10,298–502): die Initiative geht von der Tochter aus; der Vater versucht sie zu töten, als er den Inzest bemerkt; Myrrha wird in den Myrrhe-Baum verwandelt und gebiert kurz vorher Adonis (ein semitischer Name, Adon: Herr). Adonis ist schön, gefällt der Liebesgöttin Venus und kommt jung zu Tode (Ovid, Metamorphosen 10,503–739), West 1997: 57. Van Hooff 1992: 158 Inzest als Grund für Selbsttötung der Töchter.

[12] Fischer 2006: 140–141, Ruben verstößt gegen das Inzestverbot (Leviticus 18,8). Fischer merkt an, dass die Wortwahl auf erzwungenen Beischlaf schließen lasse.

[13] Diese überaus grausame Strafe ist für Priestertöchter vorgesehen, die „Unzucht treiben“ (Leviticus 21,9) und Fischer 2006: 154–156.

[14] Fischer 2006: 148–159.

[15] Dietrich 2012: 209–212.

[16] Dietrich 2012: 227–228.234–238.

[17] Fischer 2006: 181–203.

[18] Konsultiert wurde: Trible 1984: 37–91; Exum 1993: 170–201; Ita Sheres, Dinah’s Rebellion. A Biblical Parable for our Time, New York 1990; Müllner 1997 und 1999; Alice Bach, Rereading the Body Politic: Women, Violence and Judges 21, in Brenner 1999, 143–159, Sara Kipfer. Wie konnte das nur geschehen? Eine Untersuchung der Interaktion der Figuren in 2Sam 13,1–22, lectio difficilior 1/2010.

[19] Müllner 1997: 351–356 (Täter).

[20] Müllner 1997: 342–343, der Text betreibt „blaming the victim“ (d.h. er schreibt dem Opfer Schuld am Verbrechen zu, dessen Opfer es ist). Müllner hält fest (1997: 348): „Insofern sexuelle Gewalt auf das Auslöschen der Person zielt, muss allein der Akt des Überlebens als Widerstand gegen sexuelle Gewalt begriffen werden.“

[21] Fischer 2006: 130–140.

[22] Trible 1984: 65–91; Exum 1997: 57–68; Müllner 1999; sie betont, dass die Rollen (Opfer-Täter, wobei sie den Begriff Opfer zurecht kritisch hinterfragt, 127) und die Sympathien weniger eindeutig verteilt sind, als man auf das erste Lesen hin denkt; Bach 1999; sie fokussiert auf den „Frauenraub“ Genesis 21,21–23, den sie korrekt als Akt von kollektiver sexueller Gewalt versteht; Knauf 2016: 161–171; nach Knaufs Berechnungen (162) gab es Ende Kap. 21 236'646 Fälle von Mord und Totschlag.

[23] Die Monarchie freundliche Tendenz des Textes ist bekannt und wurde als Datierungskriterium verwendet, ohne einheitliches Ergebnis. Zum Zusammenhang von Monarchiepropaganda, Gewalt und Genderrollen: Renate Jost, Gender, Sexualität und Macht in der Anthropologie des Richterbuches, Stuttgart 2006: 286–323; zur literarischen und historischen Zuordnung 286–290.317–321.

[24] Exum (1997: 61) lehnt eine politische Lesart dieser Geschichte ab, weil sie die Geschlechtsproblematik verschleiere. M. E. verschleiert eine politische Lesart die Genderproblematik keineswegs; Darstellungsabsicht der Verfasser ist es zu zeigen, dass Frauen in königslosen Gesellschaften „Freiwild“ sind, ein Zustand, der Patriarchen nicht gleichgültig sein kann, weil er die Integrität der Frauen der eigenen Familie gefährdet.

[25] Müllner 1997, 342–343 „blaming the victim“; der Text verurteilt die vergewaltigte Frau zum Tod und zerstört ihren Körper: Von dieser Frau blieb physisch nichts übrig, ausser die Erwähnung im Text.

[26] Knauf 2016: 162 „Im Lichte dessen, was folgt, tut die Frau gut daran, ihren Mann zu verlassen.“

[27] Müllner 1997, 345 versteht Tamars Gehorsam systemisch, nicht als Zeichen einer insgeheimen Einwilligung in die folgende Vergewaltigung.

[28] Müllner 1997, bes. 259–307.343–344.348; Trible 1984: 34–63; Dietrich 2011: 207–220

[29] Müllner 1997: 323–327 spricht vom „lebendigen Tod“ Tamars, der sich in sozialer Verachtung zeigt, die sie trotz Schuldlosigkeit zu tragen hat; 350 von „Entmutigungsgeschichte“.

[30] Trible 1984: 55 „From aunt to niece have passed name and beauty so that rape and desolation have not the final word in the story of Thamar.“Müllner 1997: 107 mit Anm. 73 „Wenn in 2 Sam 15,27 die Tochter Abschaloms Tamar genannt und als sehr schön bezeichnet wird, so drückt das eher die potentielle Gefährdung dieser Frau als ein Hoffnungszeichen aus.“

[31] Müllner 1997: 330–334.

[32] Dietrich 2012: 209–212; Müllner 1997: 381–384. Doblhofer 1992: 23–40.

[33] Müllner 1997: 362–371. Sie hält fest, dass eine Vergewaltigung nicht primär ein Vergehen gegen eine inpiduelle Frau ist, sondern ein Vergehen gegen die Sozialordnung (362); dass das Begehren und die körperliche Integrität der Frau keine Rolle spielen (363); dass sexuelle Gewalt keine Ausnahmeerscheinung ist, sondern jederzeit und überall vorkommt (364); sie spricht von der „Verfügungsgewalt“ von Männern über Frauen (364–365): greift ein Mann eine Frau an, die sich in der Verfügungsgewalt eines anderen Mannes befindet (Tochter, Ehefrau), kommt es zum Konflikt. Die Erzählungen binden die Akte sexueller Gewalt in gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Männern (370).

[34] Od. 1,428–442; 2,346–381; 4,742–758; 17,31–35; 19,14–30.353–404.467–507; 20,128–157; 22,391–434.480–496; 23,1–84.

[35] Martina Hirschberger, Gynaikon Katalogos und Megalai Ehoiai, München/Leipzig 2004: 72–79 mit weiteren Beispielen aus dem Frauenkatalog. Martin L. West, The Hesiodic Catalogue of Women, Oxford 1985.

[36] Spätere Quellen berichten, dass die Kinder ausgesetzt, von einfachen Leuten aufgezogen wurden und unter dramatischen Umständen auf ihre leibliche Mutter trafen (Tyro, Pelias und Neleus: Apollodor 1,90–92; Antiope, Amphion und Zetos: Apollodor 3,42–44; Apollodors Lebenszeit lässt sich nicht feststellen, sie liegt zwischen 1. Jh. v.Chr. und 2. Jh. n.Chr.: Paul Dräger, Apollodor. Bibliotheke, Götter- und Heldensagen, Düsseldorf/Zürich 2005, 837–840).

[37] Wolfgang Schadewaldt, Homer. Die Odyssee, Berlin 42012, 166.

[38] Uvo Hölscher, Die Odyssee. Epos zwischen Märchen und Roman, München 1988: 135–158.

[39] Van Hooff 1990: 26 verweist selbst auf diese Entwicklung. Euripides, Argumentum (Inhaltsangabe) der Tragödie Aiolos (Richard Kannicht, Tragicorum Graecorum Fragmenta Bd. 5.1, 159).

[40] Davids Feldherr Joab und seine Brüder heißen regelmäßig Sohn bzw. Söhne der Zeruja. Sophia Katharina Bietenhard, Des Königs General. Die Heerführertraditionen in der vorstaatlichen und frühen staatlichen Zeit und die Joabgestalt in 2 Sam 2–20 und 1 Kön 1–2 (OBO 163) Fribourg/Göttingen 1998, bes. 123–126; Steven L. McKenzie, The Sons of Zeruiah, in Dietrich 2011: 293–313). Vgl. Jerobeam, der Sohn Nebats … seine Mutter, eine Witwe, hieß Zeruja (1 Könige 11,26).

[41] Adorjáni 2014: 168–242. Die Ode entstand 472 oder 468 v.Chr. (52–56). Keine weiteren Beispiele für doppelte Abstammung über Mütter (Adorjáni 2014: 170–172; er betont die Bedeutung von Frauen in Pindars Werk, irdischen und himmlischen).

[42] V. 31 Κρύψε δὲ παρθενίαν ὠδῖνα κόλποις. Wörtlich: sie verbarg aber die jungfräuliche Wehe im Gewandbausch. „Geburtswehe‟ wird metonymisch und prospektiv verwendet; „jungfräulich“ bezieht sich auf Alter und „Zivilstand“ der Mutter Pitane (Adorjáni 2014: 174–175).

[43] V. 30 παῖδα ἰόπλοκον Εὐάδναν: Das Adjektiv bedeutet sowohl „mit veilchenfarbenen“, also dunklen Locken als auch „mit einem Veilchenkranz“. Veilchen stehen in enger Beziehung zu den Musen, Adorjáni 2014: 172–174.

[44] Adorjáni 2014: 197–198 verweist auf die symbolische Bedeutung von Schlangen (Propheten zugeordnet) und Honig (Dichtern zugeordnet): die ersten Lebensstunden des Iamos zeigen dem verständigen Leser, der verständigen Leserin bereits die prophetisch-musische Berufung des Kindes.

[45] Dietrich 2017: 168 spricht von anomischen Suiziden in gesellschaftlichen Krisenzeiten. Zu Vergewaltigung und Krieg auch Müllner 1997: 379.

[46] Ähnlich 2 Könige 6,24–31 und Uta Schmidt, Zentrale Randfiguren. Strukturen der Darstellung von Frauen in den Erzählungen der Königebücher, Gütersloh 2003, 102–137.

[47] Claudia Rakel weist darauf hin, dass die Frauen in der Bibel immer den Kopf des Mannes angreifen (235–237). Claudia Rakel, Judit – Über Schönheit, Macht und Widerstand im Krieg, Berlin/New York 2003.

[48] Silvia Schroer, Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, Mainz 1986, 80–85; dies., Die weise Frau auf der Stadtmauer von Abel-Bet-Maacha (2 Sam 20,14–22), in Dietrich 2011: 394–411.

[49] Die sogenannte Teichoskopie (Mauerschau), auch Ilias 6,381–389, dazu Schroer 2011: 402–403.

[50] Arktinos aus Milet (spätes 8. Jh. v.Chr.) Aithiopis, Argumentum (Albert Bernabé, Poetae Epici Graeci. Testimonia et Fragmenta 1, Stuttgart/Leipzig 1996: 67–68), Frg. 1–2.

[51] Müllner 1997: 381 „Diese Erzählung [2 Sam 13,1–22] ist aber keine Geschichte von oder für Frauen, sondern eine, die der Männerwelt, in und für die sie schreibt, einen gnadenlosen Spiegel vorhält.“

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Beatrice Wyss,

promovierte Gräzistin, wissenschaftliche Mitarbeiterin in zahlreichen Projekten in Theologie und klassischer Philologie, aktuell im SNF-Projekt „Image of God – Abyss of desires. Theological implications of anthropological conceptualisation in Hellenistic Judaism, Early Christianity and pagan-religious Platonism.“

© Beatrice Wyss, 2020, lectio@theol.unibe.ch, ISSN 1661-3317

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